Rudi Völler hat ihm den Einsatz gegen Belgien versprochen. Der Teamchef hält Wort, Jens Lehmann soll am Mittwoch gegen Belgien 90 Minuten im Kölner RheinEnergieStadion zwischen den Pfosten des Tores der deutschen Nationalmannschaft stehen. Genau eine Woche, nachdem er bei seinem Auftritt im Viertelfinal-Hinspiel der Champions League zwischen dem FC Chelsea und seinem FC Arsenal (1:1) den Führungstreffer der Gastgeber mitverschuldete. Nachdem die Minuten kurz nach dem Seitenwechsel in dieser Partie zum Spiegelbild von Jens Lehmanns bisherigem Saisonverlauf beim FC Arsenal wurden:
Zunächst verließ er seinen Strafraum, um gegen Eidur Gudjohnsen zu klären. Doch er schoss den Ball nicht auf die Tribüne, sondern gegen die Beine des Isländers, der die Kugel dann locker einschob. In dieser Szene war es nicht unbedingt nötig, den Strafraum zu verlassen, jedenfalls war Lehmann zu spät dran. Kurz darauf präsentierte er sich hellwach, parierte gegen Lampard und fasste nach, ehe Gudjohnsen abstauben konnte.
Jens Lehmann in London - eine Achterbahn der Leistungen, seit er im Sommer in "Highbury" anheuerte und David Seaman ablöste: Im Saisonverlauf wechselten sich brillante Vorstellungen, durch die er zum Matchwinner avancierte, mit schwerwiegenden Fehlern ab. Im Großen und Ganzen okay, doch Aussetzer tauchen immer wieder auf: Gegen Leeds im FA-Cup, gegen Kiew in der Königsklasse, gegen Chelsea im FA-Cup und nun in der Champions League. Und auch gegen Bolton sah er vor gut einer Woche vor Ivan Campos Gegentreffer nicht gut aus.
Und es sind fast immer wieder die gleichen Spielsituationen, die dunkle Flecken auf die weiße Torhüterweste des Ex-Dortmunders bringen: Entweder weiß er nicht, wie er sich bei langen Bällen des Gegners verhalten soll oder er vertändelt Rückgaben - oder er hat Probleme mit der Art und Weise, wie es in Englands Strafräumen bei Flanken zugeht. Kurzum: Die komplette Umstellung von der Bundesliga auf die Premier League ist noch nicht vollzogen. Vor allem der erste Punkt ist eine Frage der mangelhaften Abstimmung zwischen den Abwehrspielern. "Ich dachte, unsere Verteidiger gehen hin. Das war wohl unglücklich für mich", entschuldigte sich Lehmann für seinen Lapsus am Mittwoch. Sein Trainer, Arsène Wenger, sagte: "Wir versuchen immer, die Abwehr weit vorzuschieben, Jens muss dann auch weiter vorne stehen. Manchmal ist ein Treffer wie dieser der Preis, den wir zahlen müssen."
Alan Smith, ein ehemaliger Stürmer des FC Arsenal und nun für Analysen im englischen Rundfunk zuständig, urteilte am vergangenen Donnerstag so über Deutschlands Nummer Zwei: "Jens ist äußerst gewissenhaft im Training. In den Spielen nimmt er dann einen Fehler umso schwerer. Darum wird er sich selbst am meisten darüber ärgern, dass er Chelsea die Führung geschenkt hat."
Während Toni Schumacher, der unlängst bei Arsenal als Trainer hospitierte und Jens Lehmann im Training und Spiel begutachten konnte, der Ansicht ist, einen Fehler wie gegen Chelsea könne man "nicht als typische Schwäche von Jens" auslegen, da ein Torwart, so wie er es früher auch praktiziert habe, "oft mit hohem Risiko spielen muss", schlägt Graeme Souness, Trainer der Blackburn Rovers, ganz andere Töne an: "Um lange Bälle auf Arsenals schnelle Stürmer zu verhindern, verhält sich jede Mannschaft gegen sie so, dass ein Spieler immer nachsetzt und auf Jens Lehmann zugeht, wenn er versucht, den Ball nach vorne zu schlagen. Er ist dadurch leicht zu verunsichern."
Doch, wie gesagt, unterm Strich steht eine ordentliche Saison des Torwarts, der mit Arsenal im FA-Cup-Halbfinale steht, beste Aussichten hat, die Vorschlussrunde der Champions League zu erreichen und die Tabelle in der Meisterschaft anführt. Und so wird Wenger nicht müde, die "internationale Erfahrung" des Deutschen zu preisen - nicht zuletzt ein Grund dafür, warum er der Nachfolger Seamans wurde. Der übrigens reagierte nach Fehlern gelassener als Lehmann, der sich zuweilen auch gegenüber Schiedsrichtern zornig präsentiert. Toni Schumacher urteilt insgesamt über ihn: "Ich habe das Gefühl bekommen, dass er eine gute Größe hinter der Abwehr ist, dass die Spieler ihn akzeptieren, auf seine Kommandos hören.
Lehmann selbst betont öfter, erst am Saisonende komplett beurteilt werden zu wollen. Doch die Beweisführung dafür, dass er tatsächlich - wie selbst behauptet - der konstantere Torwart im Vergleich zu seinem Widersacher im Nationalteam, Oliver Kahn, ist, konnte Lehmann bislang nicht erbringen. Kleinere und größere Patzer stehen ihm dabei im Weg. Vor allem letztere sollte er gerade in Köln vermeiden, wenn der Fokus besonders auf ihn gerichtet sein wird.