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Die Schweizer NLA - Beste Liga ausserhalb der NHL?

Von Martin Merk


"Die Schweizer Nationalliga A ist die beste Liga ausserhalb der NHL" - diese Aussage durfte man in den vergangenen Jahren desöfteren lesen. Doch ist sie das auch wirklich? Oder verwechselte man da nicht gewisse Aspekte mit dem Gesamtbild? hockeyfans.ch befasst sich nach dem enttäuschenden Abschneiden im unterschätzten Continental-Cup-Finalturnier der Schweizer Vertreter mit diesem Thema.


Wenn Eishockey-Spieler auf NHL-Niveau über einen möglichen Wechsel nach Europa reden, so kommt oft die Schweiz ins Gespräch. Für viele ausländische Spieler ist die Nationalliga A die attraktivste Liga nach der NHL. Einige wechseln sogar in die Schweiz, obwohl sie noch in der NHL weitermachen könnte. Doch ist die NLA deshalb die beste Liga nach der NHL? Nein! Da wird doch einiges verwechseln. Klar, die Schweiz kann ausländischen Spielern einiges bieten. Das Niveau ist sicherlich nicht schlecht, die Saläre sind hoch, die Reisewege kurz, die Schweiz gilt als idyllisch und als sicher, was vor allem für Eishockey-Stars mit Familie von Bedeutung ist. Dazu findet man in der Schweiz die - das kann man zumindest nicht abstreiten - höchsten Zuschauerzahlen Europas und vielleicht sogar die bessere Stimmung in den Hallen als in der NHL, wo das Publikum doch beschaulicher an die Spiele geht. Viele Profis aus Nordamerika stützen diese Aussage und sind von dieser Fan-Mentalität begeistert.

Da in der NLA nur drei Ausländer spielen dürfen, ist das Geld für gute Ausländer auch jederzeit vorhanden. Es spielen wenige, dafür gute Ausländer. Anders als etwa die DEL, welche im Eishockey ähnliche Grundlagen hat, jedoch auf viele und qualitativ weniger gute Ausländer setzt. Doch gerade diese Ausländerbeschränkung sorgt auch für eine unausgeglichene Liga: In kaum einer anderen Top-Liga sind die sportlichen Unterschiede innerhalb eines Teams und zwischen den Linien so gross. Vor allem seit der Aufstockung von zehn auf zwölf Teams wurde auffällig, dass der Markt an guten Spielern mit Schweizer Pass klein ist - auch wenn dies für die Förderung der Junioren bis zu einem gewissen Alter von etwa 21 Jahren vorteilhaft, später eher weniger förderlich ist. Dies macht die Schweiz sportlich nicht zu einer Top-Liga, auch wenn andere Leute vielleicht anders denken werden und mit Aushängeschilder wie Todd Elik argumentieren. Aushängeschilder und Verpackungen sind zwar immer schön, aber auch überbewertet. Denn bei einem sportlichen Vergleich kommt es auf die Gesamtheit drauf an.

Und genau bei so einem sportlichen Vergleich musste die Schweiz nicht nur bei den Nationalmannschaften wie zuletzt üblich, sondern auch im Club-Eishockey eine Niederlage einstecken. Die beste Liga ist die, welche in internationalen Wettbwerben die anderen zu schlagen vermag. Mit dem erneurten Continental-Cup, welcher am vergangenen Wochenende in Lugano und Mailand ausgetragen wurden, gab es erstmals seit dem Aus der EHL (European Hockey League) einen ernstzunehmenden Vergleich. Und das Finalturnier des "neuen" Continental-Cup fand dort statt, wo die EHL mit Metallurg Magnitogorsk als Sieger zu Ende ging: In Lugano. Und die Schweizer schnitten nicht so ab, wie es die Optimisten im Schweizer Eishockey erwarten. Der HC Lugano verdiente sich das Prädikat gut, indem es nach den Meister aus Finnland und Russland, aber vor den exotischen Clubs den dritten Platz belegte. Der HC Davos war mit dem siebten und zweitletzten Platz weit davon entfernt. Und mit dem Turnier konnten auch jene Journalisten, welche sich nicht gross für das europäische Eishockey interessieren, mitbekommen, wie sich doch die Verhältnisse in Europa verändert hatten. Nicht mehr die Schweiz ist nämlich das reichste Land im europäischen Eishockey, sondern paradoxerweise Russland! Nicht nur wegen seines Budgets von geschätzten 35 Millionen (!) Franken war Lokomotiv Jaroslawl der Top-Favorit im Continental-Cup. Da waren die knapp 10 Millionen Franken von Lugano und Davos natürlich Peanuts für die neureichen Russen. Und die "russichen Dollars" (die Spieler werden in der Regel in der amerikanischen Währung ausbezahlt) rollen nicht nur in Jaroslawl, sondern auch an vielen anderen einst unbekannten Orten wie Cherepovets, Omsk oder Kasan in ähnlichem Masse. Die lokalen Industrien unterstützen ihre Clubs in der Provinz reichlich und die einst grossen Clubs wie Dynamo oder ZSKA Moskau dürfen froh sein, wenn sie überhaupt an den Playoffs teilnehmen dürfen. Und wenn sich ein guter Spieler von Ermordungs-Meldungen von Eishockey-Profis, tausende Kilometer Reisewege oder frostige Temperaturen nicht abschrecken lässt, so kann er in Russland auch mal eine Million Dollar pro Jahr verdienen. Beträge, die in der Schweiz undenkbar wären und sonst nur in der NHL bezahlt werden. So liess sich etwa der Ex-Lugano-Stürmer Michael Nylander für diesen Betrag fast von Lada Togliatti locken, blieb dann aber doch in der NHL. Und Tomas Vlasak wurde der Vertrag in Ambrì plötzlich egal und landete über den Sommer im sibirischen Omsk. Mit dem neuen Reichtum und der russischen Eishockey-Schule können die russischen Team mehr bieten als auch schon.
Der HC Davos war gegen die Russen praktisch chancenlos, Lars Weibel vermochte den Schaden beim 1:2 aber in Grenzen zu halten. Der HC Lugano konnte zwar auch lange an eine Überraschung glauben, verlor letztendlich aber doch mit 3:6. Der Lugano-Trainer Larry Huras wollte auch gar nichts schön reden: "Jaroslawl war uns einfach überlegen!" Und fügte noch an, dass das Team NHL-Kaliber hätte und bestimmt gegen Teams wie Nashville, Atlanta oder Columbus mithalten könne. An der Bande stand übrigens ein gewisser Vladimir Jursinov, jedoch nicht der Klotner-Trainer, sondern dessen gleichnamigen Sohn. Dass Geld alleine aber noch keine Spiele gewinnt, zeigte dieses Turnier eindrücklich: Im Finale gewann Jokerit Helsinki - mit einem Budget von acht Millionen Franken ähnlich reich oder arm wie Schweizer Teams - gegen den russischen Meister im Penaltyschiessen. Vor allem Dank seinem Torhüter Kari Lehtonen, welcher bereits im Alter von 19 Jahren zur Weltklasse gehört. Finnlands Meister darf sich nun also als bestes Team Europas bezeichnen. Denn mit Finnland, Russland, der Schweiz und der Slowakei waren einige Meister der wichtigen Ligen vertreten. Auch wenn das Turnier mit der silbernen Salatschüssel als Trophäe von vielen nicht ernst genommen wird, war es diesmal doch in guter Besetzung und könnte einen wegweisenden Schritt in Richtung Rückkehr der Euroliga gewesen sein. Oder sind die Meister aus Schweden oder Tschechien besser als Jokerit Jaroslawl oder Lokomotiv Jaroslawl? Anscheinend nicht, denn diese Länder wollten sich ja nicht mit den anderen messen. "Wenn du nichts zeigst, dann zählst du auch nicht," formuliert es Larry Huras, "Die Schweden haben seit einigen Jahren die arrogante Angewohnheit, sich nicht an internationalen Wettbewerben zeigen zu wollen, sich aber als die beste Liga Europas zu bezeichnen. Wieso kommen sie denn nicht und spielen, wenn sie so stark sind? Langfristig werden die Schweden und Tschechen auf der Verliererseite sein, weil sie sich isolieren." In der Tat war es nicht die einzige Nicht-Teilnahme Schwedens. Bereits zu Zeiten der Euroliga waren sie mit Boykott-Drohungen am Aus dieser eigentlich guten Sache mitverantwortlich. Am Continental-Cup wollten sie keine Teams stellen, zuletzt stellten sie sich sogar gegen eine Spengler-Cup-Teilnahme von Färjestads BK quer. Es ist wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit, bis die Schweden, welche von den Resultaten an den Junioren-Weltmeisterschafen her ins Mittelmass zu laufen scheinen, vom hohen Ross heruntergeholt werden.

Vielleicht werden sich nun einige Länder nach der Revolution des Continental-Cup und den Planungen für die Wiedereinführung der Euroliga ihre Gedanken um die eigene Position machen. So auch die DEL, welche seit vergangener Saison ebenfalls nicht mehr in diesem Wettbewerb vertreten ist und dessen Teams von München bis Berlin bisher in diesem Wettbewerb immer hinter den schweizerischen Vertreter lagen. Die Anzeichen, dass die DEL sich sportlich gesteigert haben soll, wollte man nicht zeigen. In den Freundschaftsspielen dieser Saison (inklusive Spengler-Cup) - auch wenn viele Testspiele alles andere als freundschaftlich ausgehen gegen deutsche Mannschaften - lagen die NLA-Teams mit 14:10 Punkten und 39:33 Toren in den Direktvergleichen gegen DEL-Teams vor, vor einem Jahr gar noch höher. Den Beweis der Fortschritte müsste also auch erst geliefert werden. Hoffen wir also auf einen gestärkten europäischen Clubwettbewerb. Die Salatschüssel ging nach einem Jahr in Kosice und je zwei Jahren in Ambrì und Zürich nun nach Helsinki. Nach vier Jahren ging sie also aus der Schweiz, jetzt wo die Top-Nationen an diesem Turnier also nicht mehr Schweiz, Deutschland, Slowakei und Grossbritannien, sondern Finnland und Russland hiessen.

Viele Turniere haben gezeigt, was für Schweizer Mannschaften möglich ist. Eine Juniorenauswahl kann mit Glück, einem starken Torhüter und einer guten Mannschaftsleistung die Silbermedaille gewinnen - aber auch gegen den Abstieg spielen. Bei der A-Nationalmannschaft verhält es sich nicht viel anders. Zuletzt musste man sich mit Platzierungen um den zehnten Platz begnügen. Nur mit kurz- und langfristig harter Arbeit kann die Schweiz sich regelmässig unter den Top-6-Nationen klassieren, dort wo sie gerne sein möchte. Der Continental-Cup zeigte auch was möglich ist. Der HC Lugano hatte seine Pflicht, nicht aber die Kür erfüllt: Er belegte hinter Jokerit Helsinki und Lokomotiv Jaroslawl den dritten Platz und krampfte sich gegen die Mannschaften aus Grossbritannien und Weissrussland durch, um die Erwartungen zu erfüllen. Der HC Davos wollte ebenfalls um die Salatschüssel kämpfen, hatte aber das Pech, gleich im Viertelfinale auf Lokomotiv Jaroslawl treffen zu müssen und interessierte sich nach der Startniederlage nicht mehr für die Resultate, immerhin sollte man nach dem (freiwilligen) Stress mit Spengler- und Continental-Cup noch einen Titel verteidigen. So blamierte man sich gegen das mit drittklassigen Kanadier angetretene Belfast Giants, gewann dann aber immerhin gegen die Milano Vipers, welche im Sommer noch den Anschluss an die NLB suchten, 2:0. Der Platz sieben als Resultat von einer legèren Einstellung. Der Davoser Geschäftsführer Rolf Bachmann sagte auch, was den wenigen Anwesenden Zuschauern kaum entgehen konnte: "Es spielt für uns keine Rolle, ob wir den fünften oder achten Platz belegen."

Und die Moral von der Geschicht? Die NLA und die Schweiz haben zwar für Spieler und Fans ihre attraktiven Seiten, doch die stärkste Liga nach der NHL ist sie gewiss nicht. Denn als sich etwa Lugano in der letzten EHL-Saison Teams wie Amiens, Nürnberg oder Slovan Bratislava durchsetzte und sich so für das Finalturnier qualifizierte, war es ebenfalls ohne grosse Chancen wie auch die anderen Schweizer Vertreter. Das vergangene Wochenende ist also aus Schweizer Sicht keine Ausnahme. Vielleicht sollte man sich als Schweizer auch daran freuen, wenn man gegen Teams wie Österreich oder Lettland siegt oder wenn ein NLA-Club oder eine vielgelobte Juniorenauswahl hinter Teams aus Russland, Kanada oder Finnland aber vor Team wie die Slowakei, Weissrussland oder Deutschland liegt. Lugano und Mailand können nun mit dem IIHF übrigens diskutieren, ob sie 2004 erneut das Turnier austragen wollen. Auch wenn Lugano im Vergleich zum EHL-Finalturnier (7761 Zuschauer gegen Sparta Prag) nicht mehr so gut besucht war. Gegen Jaroslawl kamen nur 4320 Tifosi, während in Milano immerhin noch 7000 Zuschauer das Viertelfinalspiel der einheimischen "Vipers" gegen Minsk sehen wollten, was übrigens Zuschauerrekord der Continental-Cup-Geschichte bedeutete. Auch in Zürich, Ambrì oder Berlin kamen nicht mehr Zuschauer.

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