In der Schweiz geschasst, bei den Augsburger Panthern in allen Bereichen stark, jagt den Kanadier Chris Armstrong jetzt die halbe DEL, um ihn für die kommende Saison zu verpflichten

Der Aufstieg eines Leiharbeiters

Es ist ein Teufelskreis, in dem die Augsburger Panther stecken, und er ist nur mit einer Sache zu druchbrechen- mit Geld. Besser noch mit viel Geld. Egal, wie gut oder schlecht der Klub im Frühjahr abschneidet, im Sommer muss stets die halbe Mannschaft ausgetauscht werden. Waren zu viele Nieten bei den Neuzugängen, müssen Sportdirektor Lothar Sigl, Manager Karl-Heinz Fliegauf und der jeweilige Trainer (Rich Chernomaz will sich am Saisonende entscheiden, ob er bei dem bayerischen Traditionsklub bleiben will) wieder neue „Lose“ ziehen. Das heißt, dass meist aus Nordamerika einige Profis ohne Europa-Erfahrung rekrutiert werden. Machen sich die Nobodies einen Namen, müssen das Jahr darauf die Panther wieder die halbe Mannschaft neu zusammenstellen, weil sich dann die zahlungskräftige Konkurrenz aus der Deutschen Eishockey-Liga bedient. Wer mehr Euro auf den Tisch blättert, spart sich das Scouting und minimiert das Risiko eines Fehleinkaufs. Siehe Düsseldorf, die sich in Augsburg mit Tommy Jakobsen, Marc Beaucage und Jakub Ficenec drei Perlen aus dem vorjährigen Kader pickten und sehr gut mit dieser Methode fahren.

Auch im aktuellen Kader ist wieder ein potenzieller Übernahme-Kandidat dabei. „Vielleicht der beste Verteidiger der Liga“, urteilte DEG-Trainer Michael Komma über Chris Armstrong, hinter dem offenbar die halbe Liga her ist, und zwar die obere Hälfte. Dabei begann sein Europa-Trip eher unerfreulich. Im Sommer entschloss sich der Kanadier zum Sprung über den großen Teich. Mit 27 Jahren und drei NHL-Einsätzen (in der Saison 2000/01 für die Minnesota Wild mit null Punkten) scheint das Kapitel in der stärksten Liga der Welt abgeschlossen, bevor es überhaupt richtig aufgeschlagen wurde. Für die NHL ist der technisch exzellente Armstrong wohl nicht groß und schwer genug. In den Minor Leagues würde Armstrong, der zuletzt bei den Bridgesport Sound Tigers in der AHL spielte, aufgrund seines überragenden Könnens wohl trotz Veteranen-Regel stets zum Einsatz kommen, doch in Europa ist mehr Geld zu verdienen. Es folgte der Wechsel zum EV Zug, aber beim Klub der Schweizer Nationalliga A kam der Verteidiger aus Regina (Saskatchewan) überhaupt nicht zurecht. Bereits nach zehn Spielen mit neun Niederlagen des EVZ wurde Armstrong neben Trainer Doug Mason (der kurz darauf gehen musste) und Paul DiPietro zum Buhmann. „Chris ist ein Teamspieler, aber in der Schweiz wird erwartet, dass die Ausländer Spiele im Alleingang entscheiden“, sagt sein Manager Danny McCann. Immer öfter wurde der Kanadier auf die Tribüne verbannt. Nach einer weiteren Niederlage schrieb eine Schweizer Regionalzeitung: „Ganz schwach auf EVZ-Seite war Chris Armstrong, der nur zum Einsatz kam, weil sein Vornamensvetter Tancill wegen einer Gehirnerschütterung fehlte.“ Der Kanadier war down. Da traf es sich gut, dass auch die Augsburger Eishockeymannschaft gerade auf dem Tiefpunkt angelangt war. Trotz neuem Trainer ging es noch nicht so recht voran. Stürmer Chris Straube wurde entlassen und die Panther beschlossen, ihre letzte Ausländerlizenz für einen Abwehrspieler zu opfern, da dort der Schuh am meisten drückte. Dass man im Falle einer ernsthaften Verletzung von Torhüter Magnus Eriksson Gefahr laufen würde, die Saison in den Sand zu setzen, nahmen die Augsburger in Kauf. „Wir mussten das Risiko gehen und auch unseren Werbepartnern zeigen, dass wir die Saison noch nicht aufgegeben haben“, sagte Manager Fliegauf. Für eine Leihgebühr an Zug, dass den Profi weiterhin bezahlt, wechselte der Defensivspezialist nach Bayern. „Anders hätten wir ihn uns auch nicht leisten können“, meint Sportdirektor Sigl. Hinzu kommt, dass sich die Familie Armstrong in der Zentralschweiz wohl nicht sehr wohl fühlte. Zwar betont der Profi, dass man ihn in Zug „immer gut behandelt“ hat, doch seine Frau beklagte sich öffentlich über die teure Schweiz, was beim EVZ-Anhang verständlicherweise nicht gut ankam.

Amrstrong wechselte mit seiner Frau und den Söhnen Cooper und Carson nach Deutschland und schlug voll ein. Der Leiharbeiter entpuppte sich als Glücksgriff. Endlich mal wieder ein kompletter Verteidiger. Endlich mal wieder einer, den der Trainer in jeder Spielsituation aufs Eis schicken kann, ohne lange zu überlegen. Endlich mal wieder einer, der Passen und Schießen und Schlittschuhlaufen und Checken kann. Solche Kaliber sind in einer sich zunehmend spezialisierenden Spezies der Verteidiger rar geworden. „Ich denke, ich bin ein guter Allrounder“, ordnet sich Armstrong selbst ein.

Zwischen Weihnachten und Neujahr gewann er mit Team Canada in Davos den Spengler Cup und war anschließend für den Aufschwung der Panther zu Jahresbeginn 2003 maßgeblich verantwortlich. Über die weitere Karriere macht sich der Mann mit der Rückennummer 32 bereits seine Gedanken: „Wenn kein Angebot aus der NHL kommt, sehe ich meine Zukunft in der DEL“, sagt Armstrong, der im übrigen anmerkt, dass in Deutschland wesentlich mehr Wert auf die Defensive gelegt werde als in der Schweiz. Die Familie hat sich in ihrem Haus bei Augsburg mittlerweile gut eingelebt. „Ich vermisse nur unseren Hund und ein wenig unser Haus in Greenborough in North Carolina, das wir uns erst in diesem Sommer gekauft haben.“

Bis er dorthin zurückkehren kann, wird es noch eine Weile dauern. Zuerst will Chris Armstrong mit den Panthern noch so weit nach oben wie möglich kommen. „Danach muss ich nochmal nach Zug zurück.“ Der EVZ will in der Schlussphase der Saison zumindest die Möglichkeit haben, seinen Angestellten einzusetzen. Im nächsten Jahr wird er dann wohl wieder in der DEL landen. Die Panther werden zwar alles versuchen ihn zu halten, doch Manager Fliegauf gibt sich keinen Illusionen hin, dass der DEL-Zwerg Augsburg mit den Angeboten der DEL.Größen mithalten kann. Wenn in diesem Sommer Düsseldorf nicht wieder zupackt, dann ist entweder bei den Freezers die Lücke zu stopfen oder ein anderer Konkurrent greift zu. Die Panther werden aber wieder auf Schnäppchenjagd gehen müssen und weiterhin der Werbekampagne „Geiz ist geil“ wenig Erotik abgewinnen. Nur bei einem Firmenchef –egal ob jung oder alt, groß oder klein, Hauptsache er will als Hauptsponsor einsteigen- würden die Raubkatzen vom Lech schwach werden. Denn dann könnte der alljährliche Teufelskreis endlich durchbrochen werden.

Milan Sako