Montag, 1. September 2003

<<Chronik eines angekündigten Chaos?>>

Text: Joël Wüthrich

*Es ist wie in einem berühmten Literaturwerk des Nobelpreisträgers Gabriel Garcia Marquez (<<Chronik eines angekündigten Todes>>): Man saht die Probleme nahen, konnte aber wenig dagegen tun. Der HCD bewegt sich sportlich und finanziell auf dünnem Eis.

Unglaublich aber wahr: Der HC Davos hat sich durch eine Diskrepanz zwischen Prognose und buchhalterischen Tatsachen im Managementbereich in eine sehr schwere Situation gebracht: Die HCD Holding musste für die letzte Saison an der Generalversammlung ein Loch von fast 1,5 Millionen Franken zugestehen. Die Folgen waren verheerend: Die Löhne aller Leistungsträger mussten dramatisch gekürzt werden (trotz vertraglicher Zusicherungen einer Lohnerhöhung oder -stabilisierung einige Wochen zuvor!), der Spielerkader aktiviert und drakonische Einsparungen am ganzen System vorgenommen werden. Der HC Davos steht vor einer sehr schweren Saison, denn auch die Rekrutierungstaktiken wurden durch diese neue Situation beeinträchtigt. Eine der grössten Baustellen tat sich im Bereich der Lohnkürzungsverhandlungen mit den Spielern auf (siehe dazu Interview mit Lars Weibel.)

Kostensenkung als oberste Devise!

Um weiterhin schuldenfrei zu bleiben, musste der HCD - wie alle anderen NLA-Klubs bereits vor ihm - die buchhalterische Aktivierung des Spielerkaders vornehmen. Das bedeutet, dass der Club damit über eine in den letzten fünf Jahren erarbeitete Reserve verfügt, die nun aufgebraucht ist. Denn trotz gesteigerten Einnahmen bei den Zuschauern (+CHF 800'000.-), dem Spengler Cup (+CHF 245'000.-), und im Marketing (+CHF 500'000.-) fuhr die Holding einen Verlust von 1,246 Mio. Franken ein, der Verein schrieb ein Minus von 247'000 Franken. <<Die Aktivierung des Kaders täuscht jedoch über den tatsächlichen Sachverhalt hinweg und löst das Liquiditätsproblem nicht>>, warnte der für die Finanzen zuständige Verwaltungsrat und neue Vize-Präsident Marc Demisch. Bereits realisiert wurden jedoch Kostensenkungen. <<Allen, insbesondere aber der ersten Mannschaft, ist dies hoch anzurechnen, hat sie doch in der vergangenen Saison ihre Ziele erreicht>>, ergänzte der neue Präsident Georg Gasser. Mit diesen Einsparungen plant die Holding (Erste Mannschaft und Spengler Cup) mit einem Budget von 8,0888 Mio. Franken (Vorjahr effektiv: 10,227 Mio.) und mit 5 Mio. Franken für den Spengler Cup (Vorjahr effektiv 5,1 Mio.). Der Verein geht von einem Budget von 1,199 Mio. Franken (Vorjahr effektiv: 1,372 Mio.) aus, womit der HCD für die Saison 2003/2004 ein Gesamtumsatzvolumen von 14,276 Mio. Franken (Vorjahr effektiv: 16, 699 Mio.) budgetiert.

Der dritte Ausländer

Etwas ungehalten, aber cool mit einem lächeln reagierte zuletzt Arno del Curto auf die Fragen um das Risiko einer Saison mit nur zwei Legionären im Team. Der Chefcoach: <<Es gab nicht nur finanzielle Gründe für diesen Entscheid. Wir wollten einerseits nur zwei Ausländer im Team damit die Schweizer Topspieler mehr Verantwortung übernehmen können. Ständig wird moniert, dass wir in der Schweiz zuwenig spielbestimmende Persönlichkeiten haben. ich sehe in dieser Situation eine Chance, und eine Gefahr zugleich. Vor dem Bekanntwerden der finanziellen Lage wollten wir nur zwei Ausländer engagieren, jetzt müssen wir es notgedrungen tun. An Angeboten mangelt es nicht, ich bekam täglich sehr gute Angebote.>> Del Curto liess noch durchblicken, dass man im Winter womöglich auch einen sehr guten Transfer tätigen könnte, wenn es nötig sein sollte (Verletzung eines Schlüsselspielers oder Kader-Engpässe), denn die Preise fallen je länger je mehr auf dem Spielermarkt. Zudem gab Del Curto zu bedenken, dass beispielsweise in Schweden oder Finnland oftmals auch Verein ohne Ausländer oder nur mit einem oder zwei Legionären Meister wurden. Spielbestimmende Figuren waren dabei oft auch einheimische Stars. So weit wolle er auch mal kommen, meinte Del Curto abschliessend. <<Wir wollten auf keinen Fall einen mittelklassigen Ausländer für teures Geld engagieren. So ist es mir lieber>>, fügte Jürg Spross hinzu.



Weibel: <<Wir bleiben in jeder Situation Profis>>

Der HCD-Keeper äussert sich zu den Differenzen mit der Vereinsführung und die Reaktionen auf die Lohnkürzungen.

Der Schreck sass den HCD-Fans noch lange in den Gliedern. Es hat sich jedoch etwas getan auf der HCD-/Weibel-Front: Topkeeper Lars Weibel soll einen Vertragsvorschlag für ein Jahr (statt deren 3) vom HCD vorgelegt bekommen, welcher jedoch nach einer Saison kündbar und wiederverhandelbar sein soll. Jedoch zu tieferen Konditionen. Auch die Lohnkürzung soll nicht mehr so hoch ausfallen wie vorgesehen, berichteten die Medien. Aber dies könnte die letzte Saison von Lars Weibel in Davos sein.

SLAPSHOT: Lars Weibel, der Grund für diese Situation und den Lohnstreit ist bei ihnen wohl nicht nur eine Geldfrage?

Lars Weibel: Nein, nicht nur...aber dieser Aspekt war natürlich auch wichtig. man erwartet von mir grosse Leistungen und ich bin ja auch beim HCD ein Schlüsselspieler. Unter Anbetracht der finanziellen Situation des Vereins könnte ich ja mit einer Lohnkürzung rechnen, obwohl mir von meiner Leistungsentwicklung eine Erhöhung zustehen würde. Aber die Vorstellungen des HCD sind unverhältnismässig. Man will von mir eine Lohnbaisse, welche prozentual viel höher ist als bei allen anderen. Aber es geht auch um eine Stilfrage: Ich merkte beim HCD lange Zeit keine Bereitschaft zu einem Kompromiss und auch kein Verständnis für mich. Dazu erwarte ich Fairness, was auch eine direktere interne Kommunikation voraussetzt. Es gingen Informationen nach aussen, von welchen nicht mal ich Kenntnis hatte und mir aber später so übertragen wurden. Okay, Fehler, welche begangen wurden, kann man jetzt nicht mehr beheben. Jammern hilft nichts, wir müssen vorwärts schauen. Ich bleibe aber fair und erfülle meine Arbeit tagtäglich und gebe nach wie vor alles für den HCD. Das ist mein Verständnis von Fairness.

SLAPSHOT: Stimmen die durchgesickerten Zahlen betreffend der Lohnkürzungen? Bei Ihnen spricht man ja von 100'000 Franken...

Lars Weibel: Ich habe ein vertragliche Vereinbarung, nicht über Geld oder Bestandteile der Verträge zu reden. Ich werde dies weder dementieren noch kommentieren. Über Einzelheiten in den bestehenden oder neuen Verträgen werde ich kein Wort verlieren. Was durchgesickert ist, kam auf jeden Fall nicht von mir.

SLAPSHOT: Wie war eigentlich die Stimmung mannschaftsintern? Hatten Kollegen Verständnis für Ihre Situation? Wurde die Saisonvorbereitung atmosphärisch empfindlich gestört?

Lars Weibel: Wir kommunizieren mannschaftsintern sehr gut zusammen. Ich war ja nicht der <<letzte Mohikaner>>, wie das so oft in der Presse dargestellt wurde. Ich war zum Zeitpunkt der letzten Phase der Saisonvorbereitung nicht der einzige, der die Bedingungen des HCD noch nicht unterschrieben hatte. Die Stimmung blieb gut, wir arbeiteten im Trainingslager wie Profis und versuchten, uns auch wie solche zu benehmen. Es darf nicht sein, dass wir aufgrund einer solchen Situation nun unsere sportlichen Ambitionen und professionelle Einstellung ändern. Ich spürte zudem von der Seite meiner Teamkameraden keinerlei Unverständnis, weil ja alle betroffen waren.

Interview: Joël Wüthrich


"Quelle, <<Slapshot-Magazin Nr.3 2003/2004>>


Gruß Dany