Quelle: Eishockey NEWS Sonderheft vom 26. August 2004

[size=18px]Wie viel Kraft liegt in der Ruhe?[/size]

Panther warten lange wie nie auf unbekannte Neuzugänge


Wenn Du lange genug am Fluss sitzt, siehst Du irgendwann die Leiche Deines Feindes vorbeischwimmen. (Chinesisches Sprichwort).

Die Panther sitzen schon so lange am Fluß wie kein anderer noch existierender Verein in Deutschland, nämlich 126 Jahre, doch mit jedem Feind, der an ihnen vorbeischwamm, sprang oben ein neuer ins Wasser. In der DEL überlebten sie die Berlin Capitals, Essen, Freiburg, Hannover, Kaufbeuren, Landshut, Oberhausen, Riessersee, Rosenheim, Schwenningen, Weißwasser, zwischenzeitlich Düsseldorf und München sogar zweimal, doch besser als auf Rang acht landeten sie selbst dennoch nie. Zuletzt verpassten sie zweimal hintereinander die Play-offs, im Vorjahr als Neunter und gaben daraufhin elf Spieler ab. Die Torhüter wurden komplett ausgetauscht, in der Abwehr gingen Eric Dandenault, Christian Lukes, Shawn Anderson und Marc Savard, halten wollte man keinen von ihnen, lediglich aus dem Sturm hatten Bob Wren und Andrej Strakhov Angebote der Panther vorliegen, Colin Beardsmore hätte man ebenfalls gerne gehalten, doch angesichts der Kölner Offerte war dieses Unterfangen aussichtslos. Die neue Ausrichtung diskutierte Manager Karl-Heinz Fliegauf lange und ausführlich mit Trainer Benoit Laporte und Sportdirektor Lothar Sigl und kam dabei angesichts der Bilanz des Vorjahres, als man mit 180 Treffern die meisten der gesamten Liga erzielt, mit 177 aber auch die zweitmeisten kassiert hatte, zu folgendem Ergebnis: „Wenn wir fünf bis zehn Tore weniger schießen, aber 30 weniger bekommen, erreichen wir die Play-offs. Und was haben wir in der Verteidigung denn verloren? Anderson fand aufgrund seiner Verletzungen nie richtig in die Mannschaft, Dandenault spielte nur ein halbes Jahr und Savard war durchschnittlich." Von den Torhütern des Vorjahres, Magnus Eriksson und Steifen Karg, redet ohnehin niemand mehr, denn die schienen in der zweiten Saisonhälfte mehr am Fluss zu sitzen als im Tor zu stehen.

Stärken

Nichts verleiht mehr Überlegenheit, als ruhig und unbekümmert zu bleiben. (Thomas Jefferson, US-Präsident)

Ruhe und Unbekümmertheit verlieh den Panthern in erster Linie die frühe Verpflichtung von Torhüter Jean-Francois Labbe, der schon zwei Tage nach dem letzten Spiel der vergangenen Saison vorgestellt wurde. Der Kanadier holte 1997 und 2000 den Calder-Cup in der AHL sowie 1994 Colonial-Cup der CoIHL, dazu gewann er bislang sieben nicht unbedeutende persönliche Auszeichnungen, im letzten Jahr verbuchte er 13 Shut-outs und überragende Statistiken in der höchsten russischen Liga. Darüber hinaus konnten aus dem Vorjahreskader sieben Deutsche, der mit Abstand beste Verteidiger John Miner sowie die Stürmer Francois Fortier, Rick Girard und Shawn Carter gehalten werden, was eine hervorragende Basis war. Benoit Laporte verspricht sich von ihnen noch mal ein bisschen mehr, denn: „Gerade wegen des Verpassens der Play-offs haben sie in der vergangenen Saison ihre Mentalität geändert und den unbedingten Siegeswillen gelernt." Nicht unerwähnt darf unter diesem Gliederungspunkt bleiben, dass die Panther wirtschaftlich auf einer so breiten Basis zu stehen scheinen wie wohl noch nie zuvor: Bis zum Trainingsauftakt banden sich 43 Werbepartner. Zahlreiche davon sind neu, darunter allen voran natürlich HOCO, als einer der führenden Türenherstellers Europas mindestens ein „continental player", der nach drei Jahren, in denen die Panther nie einen Hauptsponsor hatten, genau für diese Position gleich für drei Jahre unterschrieb. Und auch der Einstieg von Müller Milch ist ein Anlass, zumindest ein wenig ruhig und unbekümmert zu sein.

Schwächen

Der Schlüssel zu allem ist Geduld. Nicht durch Aufschlagen, sondern durch Ausbrüten wird aus einem Ei ein Küken. (Autor unbekannt).

Über ihren Neuverpflichtungen brüteten die Panther wahrlich lan-ge,vielleicht zulange. Zwischen der Bekanntgabe von Jean-Francois Labbe und der des zweiten ausländischen Neuzugangs Francois Methot lagen genau fünf Monate, dafür folgten anschließend fünf Spieler innerhalb von sechs Tagen, von denen vier einen zum 13. September kündbaren Vertrag unterschrieben. Dennoch wurden die Panther ob ihrer Abwarte-Taktik schon im Juni zum Sieger im Transfer-Poker ernannt, ein Wettbewerb, an dem sie zu diesem Zeitpunkt ja noch gar nicht teilgenommen hatten. Vier der sechs ausländischen Neuzugänge haben noch nie in Europa gespielt, für die beiden anderen ist zumindest Deutschland Neuland. Benoit Laporte wollte Spieler, die schon einmal etwas gewonnen haben und von daher die Gier nach Erfolg kennen, die den Trainer selbst auch auszeichnet, doch außer Labbe holte keiner der sechs jemals einen Titel, und Laportes Ankündigung, einen Rohdiamanten für den Sturm ausgraben zu wollen, war offenbar ebenfalls etwas zu optimistisch. Remi Royer spielte zuletzt in der CHL, die Panther sind wohl seine letzte Chance, den Karriere-Knick zu stoppen. Viel wird angesichts der Historie der Panther und ihren ausländischen Neuzugängen davon abhängen, ob endlich auch einmal die Zuschauer die Geduld aufbringen, die man braucht, ein Küken auszubrüten und nicht das Ei von vornherein zu zerschlagen.

Taktische Ausrichtung

Wenn Du im Recht bist, kannst Du es Dir leisten, die Ruhe zu bewahren. Und wenn Du im Unrecht bist, kannst Du es Dir nicht leisten, sie zu verlieren. (Mahatma Gandhi, indischer Freiheitskämpfer).

Ob die Panther mit ihrer Taktik (auch der personellen) Recht hatten, wird sich erst zeigen, die Ruhe hatten sie auf jeden Fall weg. Trainer Benoit Laporte ließ in der vergangenen Saison extrem attraktives und offensives Eishockey spielen, bei dem in vielen Spielen der Hingucker schlechthin Bob Wren war. Die Play-offs erreichten sie dennoch nicht und es darf bezweifelt werden, ob die Bemühungen Wren zu halten tatsächlich so energisch waren, wie nach außen hin behauptet wurde. Die Panther sind ohne Wren vielleicht ein unattraktiveres Team, aber mindestens genauso groß ist die Chance, dass sie ohne einen Egozentriker wie ihn erfolgreicher sein können. Das Augenmerk liegt eindeutig auf der Defensive, weshalb Manager Karl-Heinz Fliegauf auch ständig betonte: „Wir brauchen keinen klassischen Blueliner sondern zwei gute, kompakte Verteidiger." Die sieben Neuzugänge im Feld sind im Vergleich zu den neun Abgängen durchschnittlich fünf Jahre jünger - in der Verteidigung sogar neun! -, mehr als zwei Zentimeter größer und über drei Kilogramm schwerer, was eigentlich bedeuten sollte, dass das Team schneller, aber dennoch robuster sein sollte. Ob Remi Royer allerdings dem Vergleich mit Mahatma Gandhi standhält, muss sich auch erst weisen.

Prognose

Geduld ist ein Baum, dessen Wurzel bitter, dessen Frucht aber sehr süß ist. (Chinesisches Sprichwort).

Bitter waren die Reaktionen der Fans auf die Spieler, die die Panther nach so langer Wartezeit letztendlich holten allemal, in wie weit sich diese negative Grundhaltung ändert, hängt natürlich von der Tabelle ab und wird an den Zuschauerzahlen abzulesen sein. So schlecht dürften die Chancen allerdings nicht sein, schließlich steht den Panthern mit Karl-Heinz Fliegauf immerhin der amtierende „beste Manager der DEL" vor, Trainer Benoit Laporte äußerte sich sogar extrem optimistisch: „Ich bin überzeugt, dass wir die Play-offs schaffen, und zwar nicht gerade so als achter." 180 Tore wird Augsburg auf dem Weg dorthin wohl kaum schießen, allerdings auch deutlich weniger als 177 kassieren. Ein erneutes Scheitern wäre das erste Mal, dass die Panther drei Jahre hintereinander die Runde der besten acht nicht erreichen, ihr letztes Play-off-Spiel war 2002 in München, der letzte Sieg 1996 im Achtelfinale gegen Schwenningen. Dies zu ändern wäre ein Meilenstein für den Verein und der würdige Schlusspunkt unter die Karriere von Duanne Moeser, dessen Wurzeln in Augsburg mittlerweile so tief sind, dass es wahrlich an der Zeit wäre, endlich die Früchte zu ernten.
Michael Klein