Italiener werfen Platini Verrat vor
Italien im Schockzustand: Die Vergabe der EM 2012 nach Polen und in die Ukraine wird als Verrat angesehen. Der Schuldige ist auch schon ausgemacht - es ist Uefa-Präsident Michel Platini. Der einzige, der nicht nach Ausreden sucht, scheint der italienische Verbandspräsident zu sein.
Rom - "Entweder ist er selbst verraten worden oder er hat ein doppeltes Spiel gespielt und uns verraten", mutmaßte die "Gazzetta dello Sport". Die größte Sportzeitung des Landes hatte noch am Tag der Entscheidung seinen Lesern siegessicher berichtet, Platini habe Italien klar den Zuschlag für die EM signalisiert. "Italien wurde auf den Arm genommen", schrieb die "Gazzetta". Nun wird auch über die Rolle von Fifa-Boss Joseph Blatter spekuliert, als dessen Ziehsohn der Franzose Platini gilt - und dessen Einfluss in der Uefa nach der Abwahl des Platini-Vorgängers Lennart Johansson gestiegen ist.
Sportministerin Giovanna Melandri hatte auch deshalb von einer "politischen Entscheidung" gesprochen und war sogar am Rande der "Announcement Ceremony" in Cardiff in Tränen ausgebrochen. Während ihre Regierungskollegen auch den Liga-Manipulationsskandal und die Gewalt in den italienischen Stadien für die Niederlage verantwortlich machten, wurde Melandri von der Opposition scharf attackiert: "Was für eine Blamage, sie sollte wenigstens um Entschuldigung bitten", forderte Forza Italia-Sprecherin Elisabetta Gardini. Es reiche nicht aus, nur in die Umkleidekabinen zu kommen, um der Nationalmannschaft zu gratulieren, stichelte Gardini gegen die Sportministerin.
Nicht nach Ausreden suchte Italiens Verbandspräsident Giancarlo Abete. "Wir sind nicht verraten worden, aber wir müssen auf gewisse Beziehungen aufpassen", erklärte er am Tag nach der EM-Pleite. Die Niederlage sei jedoch vor allem eine für Italien gewesen "und seine Fähigkeit sich zu präsentieren. Wir müssen unsere Strategien überdenken", sagte Abete.
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