" hat geschrieben:Dann will ich als jahrzehntelanger Plattensammler und Ex-Musiker auch mal was zum Thema sagen und schlage mich auf die Seite der Ösi-Twins:
Man könnte argumentieren, Kunst leite sich vom Begriff "Können" ab. Würde es sich vom Begrif "Wollen" ableiten, hieße es ja Wunst. Dem steht entgegen, dass Musik eine Form des künstlerischen Ausdrucks ist, der ähnlich der Malerei und Schriftstellerei eben nicht bzw. nicht vorwiegend auf der Beherrschung "seines" Instrumentes als dem Handwerkszeug im Sinne von Hammer, Spachtel, Turnschuh basiert. Und so bekommt ein Joseph Beuys seinen Platz im Olymp der bildenden Künstler ebenso wie ein Roy Lichtenstein , ein Andy Warhol oder ein Udo Jürgens. Und zumindest im Falle Beuys darf handwerkliche Fähigkeit zumindest in Frage gestellt werden.
1. Musik entsteht im Kopf des Künstlers und ist die eine Seite. Der Konsument erhält das fertige Produkt und beurteilt nur die Umsetzung. Ob diese bewusst bombastisch, spartanisch, schräg oder gerade klingt, oder nur auf mangelnde Umsetzungsfähigkeiten zurückzuführen ist, bleibt dem Konsumenten verborgen.
2. Handwerkliche Fähigkeiten machen zunächst mal einen Arbeiter, keinen Künstler. Wir hatten in der Band mal einen Gitarristen, der zuvor in einer Jazz-Band gespielt hat. Genialer Handwerker, aber eben völlig einfallslos.
3. Wer die bahnbrechenden musikalischen Ereignisse der Neuzeit verfolgt, der stellt fest, dass diese zumindest im Bereich der "U-Musik" nur in den seltensten Fällen von handwerklichem Können geprägt waren. RnR, Beat, Punk, Techno und sogar Blues waren in der Form ihres Erscheinens/Durchbruches sich keine Angelegenheit von Virtuosen. "Meine" Musik war die Musik der Sixties, dann kamen noch die Velvet Underground, die Stooges und die Doors. Und dann war erst wieder der Punk mit seinen Folgeerscheinungen interessant für mich. Die frühen bis mittleren Siebziger, in denen das Licht ausging, der Spot den Gitarristen erhellte und diesen zeigte, wie er sich 30 Minuten in zugegebenermaßen handwerklich einwandfreier Weise die Finger wund spielte, fand ich derart dröge, dass ich trotz meiner jungen Jahre aktuelle Musik fast nicht wahrnahm. Erst die drei Griffe, die von den Ramones sauschnell zu mehreren Dutzenden Liedern verarbeitet wurden, machten mir wieder Spaß. Und da bin ich sicher kein Einzelfall (gell George?). In den 70ern gab es Bands wie Yes (Paradebeispiel), die ließen bei angespanntem Hören sämtliche Hämorrhoiden aufplatzen. Pink Floyd mit Syd Barett gerne. Pink Floyd der Dark Side und später Zeit igittigitt. Fragt man in England nach guten deutschen Bands, werden zumeist Kraftwerk und die Einstürzenden Neubauten genannt. Beide Bands sicher nicht Synonym der instrumentellen Handwerkskunst. Die Scorpions sind da eher sowas wie ein Brechmittel. Die Japaner sehen es wieder anders.
4. Ansichtssache: Jeder versucht logischerweise, "seine" Musik zu verteidigen und als das Nonplusultra zu verkaufen. Ist auch legitim, entspricht aber nicht der Wahrheit sondern nur der eigenen Wahrnehmung.
Redet man beispielsweise mit einigen klassischen Musikern oder Jazzern, dann sind die vermeintlich guten Handwerker der U-Musik in ihren Augen nur Stümper. Bernstein hat ausser den Beatles nix akzeptiert. Und auch da ist Handwerk kein Qualitätsurteil. Helge Schneider ist sicher einer der besten lebenden Musiker in Deutschland. Ich finde ihn dennoch am Rande der Erträglichkeit.
Ich glaube getreu dem Motto: "Jede Jeck is anders", dass Musik tatsächlich zu 99 Prozent eine Frage des persönlichen Geschmacks ist und wer Bon Jovi hören will, darf das mit der gleichen Freude tun, wie der Fan von Franz Ferdinand "seine" Musik. Die Gleichung Guter Handwerker = Guter Musiker geht für mich nicht auf Kann sein, muss aber nicht.........
Sowas kann ich nur schreiben, denn in der Aug' in Aug' Diskussion bin ich nämlich scheiss intolerant.
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