Was ich im Internet und Fernsehen gesehen hab war übrigens fürchterlich, durch die Bank. Ist aber eigentlich kein Wunder, meint auch der Autor eines Buches, das ich gerade las:
"Es gibt viele Orte, an denen Musik gehört wird oder gehört werden muss. Aber von allen Orten, an denen Musik gehört wird, ist - nach den Filialen der Bekleidungskette New Yorker - das Rockfestival der bei Weitem unangenehmste. Die Idee des Rockfestivals geht auf die Anfänger der Hippiezeit Ender der Sechzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts zurück. Monterey Pop. Woodstock. Isle Of Wight. Drei Tage voller Liebe und Frieden. Kritiker merken an, dass das Rockfestival im Lauf der letzten Jahrzehnte seinen unschuldigen Charakter verloren habe und sei kommerzialisiert worden. Sie wissen nicht, dass schon Monterey Pop und Woodstock gigantische Kommerzfestivals waren - mit fliegenden Händlern und einem Rahmenprogramm zur "Unterhaltung". Nur Bungee-Jumping gab es damals in Woodstock noch nicht.
Die Idee des Rockfestivals passt gut zu einer Generation von schnäppchenjagenden Musikhörern, die durch penetrante Fernsehreklame den Slogan "Geiz ist geil" verinnerlicht hat. Weniger oder wenig mehr als einhundert Euro bezahlen zu müssen, um ein paar Dutzend Bands zu sehen, ist ein echtes Schnäppchen. Es ist geil. Der Schnäppchencharakter des Rockfestivals zieht eine ganze Reihe von Besuchern an, die gar nicht an den Bands interessiert sind, die beim Rockfestival auftreten, sondern wegen "der Stimmung", wegen des "Gemeinschaftsgefühls" kommen. Diese Leute erkennt man beim Rockfestival daran, dass sie schon am frühen Nachmittag, wenn die ersten unerheblichen Bands auf den Bühnen spielen, besinnungslos in ihrem Erbrochenen auf der Wiese liegen. Oder man erkennt sie gar nicht. Weil sie das Festivalgelände überhaupt nicht erst betreten, sondern auf dem Campingplatz bleiben, weil dort das "Gemeinschaftsgefühl" und die "Stimmung" noch besser sind. Einhundert Euro für die Stimmung auf dem Campingplatz zu bezahlen ist zwar kein Schnäppchen, aber es ist trotzdem geil.
Die große Mehrheit der Besucher des Rockfestivals ist gekommen, um Bands zu sehen. Es ist aber unangenehm, bei großer Hitze oder großer Kälte, also im deutschen Sommer, zusammen mit Zehntausenden anderer Menschen zwei bis drei Tage lang im Freien ein paar Dutzend Bands auf verschiedenen Bühnen anzusehen. Noch unangenehmer ist es, dass man dabei gezwungen wird, Bands zu sehen, die man gar nicht sehen will und unter Umständen davon abgehalten wird, eine bestimmte Band zu sehen, die man sehen will, weil zur gleichen Zeit auf der anderen Bühne eine andere bestimmte Band spielt, die man noch viel lieber sehen will als die eine bestimmte.
Albert Koch, "Fuck Forever - der Tod des Indie-Rock"
Und zu zwei Bands, die da auch spielten - und die mir eigentlich auch gefallen/-fielen - hat er auch ein paar weise Worte parat:
Vor allem bei Festivalauftritten zeigt sich, dass sich Bands wie Kaiser Chiefs und Mando Diao in den ganz großen ekelhaften Rockstargesten gefallen - inklusive "Seid Ihr gut drauf?"-Publikumsanbiederungen.