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Eklat im EU-Parlament
Berlusconi vergleicht Sozialdemokraten mit KZ-Chef
Der deutsche Fraktions-Vize der europäischen Sozialdemokraten Schulz solle eine Filmrolle als Nazi übernehmen, hat der italienische Ministerpräsident bei seinem Debüt als EU-Ratsvorsitzender erklärt. Berlusconi reagierte damit auf Kritik von Schulz.
Beim Debüt des italienischen Ministerpräsidenten als neuer EU-Ratsvorsitzender vor dem Europäischen Parlament in Straßburg hat es am Mittwoch einen Eklat gegeben.
Berlusconi richtete sich an den stellvertretenden Vorsitzenden der sozialdemokratischen Fraktion, Martin Schulz, und erklärte, in Italien würde gerade ein Film über die Nazi-Konzentrationslager gedreht. „Ich schlage Sie für die Rolle des Lagerchefs vor“, so Berlusconi. Schulz hatte den italienischen Regierungschef wegen dessen Politik zuvor scharf kritisiert.
EU-Ratspräsident „verliert seine Contenance“
Schulz erwiderte darauf, sein Respekt vor den Opfern des Faschismus verbiete es ihm, dazu Stellung zu nehmen. Es sei allerdings schwierig, dass ein EU-Ratspräsident, wenn er mit der geringsten Debatte konfrontiert sei, „seine Contenance in dieser Art verliert“. Für seine Äußerungen erhielt der deutsche Sozialdemokrat lang anhaltenden Applaus seiner Kollegen.
Eine Entschuldigung verweigerte Berlusconi: „Schulz hat mich persönlich beleidigt, in einer Form, die nicht zulässig ist in einem solchen Parlament.“ Seine Äußerung über den KZ-Aufseher sei ironisch gemeint gewesen. „Ich ziehe das nicht zurück, was ich mit Ironie gesagt habe, wenn Schulz die persönlichen Beleidigungen nicht zurücknimmt.“
Parlamentspräsident Pat Cox bedauerte „die Beleidigung, die dem Kollegen Schulz zugefügt wurde“.
Schulz hatte sich besonders über Äußerungen des italienischen Ministers und Vorsitzenden der Lega Nord, Umberto Bossi, beklagt. Dieser hatte angeregt, mit Kanonen auf Flüchtlingsschiffe zu schießen. Dies verstoße gegen die Grundrechtecharta der EU, sagte Schulz. Berlusconi müsse die Grundwerte der EU gegen seine eigenen Minister verteidigen.
Vorstellung des italienischen Programms
Anlass für den Auftritt Berlusconis war die Vorstellung des italienischen Programms für die EU-Ratspräsidentschaft in den nächsten sechs Monaten. Als Schwerpunkte nannte Berlusconi die Verfassung Europas, die Stärkung der Wirtschaftskraft und die Außen- und Sicherheitspolitik. „Die Herausforderungen, vor denen wir stehen, sind sehr komplex.“
Hauptaufgabe sei die Vollendung einer europäischen Verfassung, sagte Berlusconi. Im Oktober beginnen die Mitgliedstaaten, über den Verfassungsentwurf des Konvents zu beraten. „Wir werden versuchen, bis Dezember eine Übereinkunft zu erzielen.“ Unterzeichnet werden soll die neue Verfassung in Rom.
Es sei aber auch wichtig, dass die Union „tagtäglich auf die legitimen Erwartungen der Bürger reagiert“. Deshalb müsse die Wirtschaftskraft Europas gestärkt werden, sagte Berlusconi. Dazu sei es wichtig, die Wirtschaft effizienter durch öffentliche und private Investitionen zu stärken.
Besonders müssten die transeuropäischen Verkehrsnetze ausgebaut werden, um die Mobilität zu erhöhen.
Die Währungsstabilität dürfe dabei aber nicht in Frage gestellt werden. Zudem müssten die Rentensysteme nachhaltig reformiert werden. In der Außen- und Sicherheitspolitik hob Berlusconi die Bedeutung der Beziehungen Europas zu den USA hervor.
Es gebe „keine Widersprüche zwischen einem starken europäischen Engagement und transatlantischer Solidarität“.
Er werde sich in den nächsten sechs Monaten dafür einsetzen, die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und den USA „wieder mit Dynamik zu erfüllen“. Italien hatte den EU-Vorsitz am Dienstag turnusgemäß von Griechenland übernommen.
(sueddeutsche.de/AP)