Hannovers Profi aufgetaucht
Jan Simak will aufhören
Hannover – Die diskrete Männerrunde war für gestern Nachmittag in Frankfurt anberaumt. Teilnehmer: Jan Simak, seine
Berater Roger Wittmann und Christoph Leutrum, Leverkusens Manager Reiner Calmund, und aus Stuttgart sollte Ralf Rangnick, der Trainer von Hannover 96, dazu stoßen. Das Thema: Wie geht es weiter mit dem talentierten Fußballprofi Simak, der sieben Tage in seiner tschechischen Heimat untergetaucht war, ohne sich bei seinem derzeitigen Arbeitgeber Hannover 96 und seinen Beratern zu melden? Die Konferenz kam nicht zustande – 96-Präsident Martin Kind bestand darauf, dass Simak umgehend nach Hannover weiterreise, sonst drohe noch mehr Ärger. Die Tendenz der Gespräche, die bis zum späten Montagabend andauerten, war deutlich: Jan Simak, 24, will aussteigen und nicht mehr Profi sein. Sofort.
Derartige Anzeichen verdichteten sich offenbar am Sonntag, als sich Berater Leutrum in Prag mit Simak traf. Der Ballartist soll nicht nur einen deprimierten Eindruck gemacht, sondern bekräftigt haben: „Ich kann nicht mehr und will nicht mehr. Mein Kopf braucht eine Pause.“ Er wolle nur noch nach Hause; selbst das Geld, das er bis 2007 verdienen könnte – so lange läuft der Vertrag mit seinem „Besitzer“ Bayer Leverkusen – sei ihm derzeit völlig egal.
Die Äußerungen würden zu der von Leutrum vergangene Woche in Umlauf gebrachten Diagnose passen, Simak leide unter depressiven Schüben. Bei Hannover 96 dagegen hatten die Verantwortlichen dieser These zuletzt massiv widersprochen. Gestern drohten sie dem Profi erneut mit Regressforderungen. Auch Rangnick, der zunächst gesagt hatte, Simak brauche Hilfe, ist auf diesen Kurs eingeschwenkt. Sportdirektor Ricardo Moar wiederum unterstellte Leutrum, er selbst habe wohl psychische Probleme, wenn er solche Dinge verbreite. Niemals, so Moar, habe es Anzeichen für eine Depression gegeben: „Jan hat doch jeden Tag Witze gemacht.“ Eine Äußerung, die auf wenig Wissen über depressive Erkrankungen schließen lässt, aber zur Fußballbranche passt, in der psychische Schwächen ein Tabu sind. Der Sportpsychologe Oliver Kirchhof hatte der SZ über Simak gesagt: „Er ist ein Typ, der sich wenig öffnet und seine eigene Verletzlichkeit mit einem Selbstverständnis als Macho kaschiert.“
Der Berater jedenfalls wundert sich über das Verhalten der 96-Führung. Schließlich habe man nach Simaks erstem Aussetzer zu Saisonbeginn, als er zwei Tage verschwunden war und ein Fotoshooting für das offizielle Mannschaftsfoto verpasste, gemeinsam mit Rangnick am Tisch gesessen und einen Therapeuten gesucht. Das Problem: Der Profi habe die vereinbarten Termine nicht wahrgenommen. Über die Einschätzung des Sportdirektors sagt Leutrum: „Moar kennt Jan seit zwei Monaten von oberflächlichen beruflichen Kontakten, ich habe seit zwei Jahren ganze Tage mit ihm verbracht und auf sehr persönlicher Ebene mit ihm geredet.“ Moar sei es in den Gesprächen der vergangenen Tage vor allem um den wirtschaftlichen Aspekt gegangen, er habe gesagt: „Es geht doch um den Marktwert des Spielers. Ihr wollt doch auch Geld mit ihm verdienen. Jan muss weiter machen.“
Tatsächlich droht vor allem Bayer Leverkusen, das Simak im Sommer an seinen alten Klub Hannover 96 für ein Jahr auslieh, finanzieller Schaden, falls der Profi seinen Beruf aufgibt. 2002 hatte man 6,5 Millionen Euro nach Hannover überwiesen – Geld, das man dann nie wieder sähe. Hannovers Schaden dagegen ist hauptsächlich sportlicher Natur. Man zahlte keine Leihgebühr an Bayer, zwei Drittel des Gehaltes (etwa 1,8 Millionen Euro) überwies Leverkusen, dafür übernahm 96 das komplette Salär für den ebenfalls von Bayer geborgten Thomas Brdaric. Eine Möglichkeit der Schadensbegrenzung könnte sein, den Vertrag vorerst ruhen zu lassen – bis es Simak wieder besser geht und die Lust am Fußball zurückkehrt.
Jörg Marwedel