Die Welt vom 04.11.2003
Scorpions im Duell
Weil die Rockband klagt, beschäftigt Hannovers Eishockeyklub mal wieder die Justiz
von Jörg Winterfeldt
Hannover/Berlin - Den Ausflug nach Braunschweig morgen hätten sich die Chefs der Hannover Scorpions gern erspart. Vor dem Landgericht werden sie da erfahren, ob sie die Rockgruppe Scorpions in ihre Bilanzen schauen lassen müssen. Die berühmten Musiker fordern ihre finanzielle Beteiligung an den Merchandising-Umsätzen des Eishockeyteams, das ihren markenrechtlich geschützten Namen trägt.
Die Chancen stehen nicht schlecht, weil wohl ein Vertrag zwischen den beiden Parteien vorliegt. Ein Vergleichsangebot der Musiker allerdings, eine Summe wohltätigen Zwecken zu stiften, wiesen die Sportbosse entrüstet zurück. Den Rockern ("Wind of Change") ist vor allem eines wichtig: "Meine Mandanten wollen in Ruhe Musik machen", sagt ihr Gießener Anwalt Peter Amend, "das sind keine Streithansel."
Dass der Termin dennoch stattfindet, hat viele Gründe. Zum einen ist der Eishockeyklub finanziell klamm, zum anderen glänzten seine Bosse zuletzt eher vor Gericht als im Kerngeschäft: Trotz üppiger Etats erreichte die Mannschaft nur zwei Mal in sieben DEL-Jahren das Play-off der besten acht Teams.
Gegen Kassel am Sonntag herrschte wenigstens mal wieder richtig Stimmung im Ice House Mellendorf. Die gegnerischen Fans skandierten ("Kühe,Schweine, Wedemark"), die eigenen randalierten. Die Schiedsrichter mussten unter Polizeischutz aus der Halle geleitet werden, nachdem die Scorpions die Partie mit 3:4 im Penaltyschießen verloren hatten.
Vor zwei Jahren waren die Mellendorfer mit großen Zielen in die Landeshauptstadt umgezogen, um in der Preussag Arena reich und berühmt zu werden. Der Betreiber spendierte für die Abtretung der Rechte an der Vermarktung und den Eintrittskarten drei Millionen Euro pro Saison. Doch die Mission floppte: In jedem Jahr amüsiert sich die Liga wie die Scorpions sich zu hohen Preisen minderwertige Kader zusammen stellen.
Weil der von ihm nicht verschuldete sportliche Misserfolg der Scorpions sich in den Bilanzen der Arena widerspiegelte, drängte deren Betreiber auf eine Professionalisierung. Der als Manager tätige Sohn Eric des Klubchefs Jochen Haselbacher, eines ehemaligen CDU-Landtagsabgeordneten, sollte durch eine taugliche Kraft ersetzt werden. Doch Haselbacher senior, der seine Frau Christiana mit der Öffentlichkeitsarbeit beauftragte und Tochter Kathrin mit der Verwaltung des Trainingsgeländes, hielt zum forschen Filius, der Gymnasium wie Fachoberschule Wirtschaft einst vorzeitig wie wortgewaltig verließ: "Was nützt dir ein Abitur mit eins, wenn du dich im Leben und mit den Menschen nicht auskennst."
Die Rechenkünste brachten den Senior vor den Richter: Im Frühjahr wird das Strafverfahren 14 CS 980 JS 63211/01 vor dem Landgericht Hildesheim wegen Verkürzung von Lohnsteuern in 31 Fällen um 41 746 Euro und von Umsatzsteuern in sieben Fällen um 453 367 Euro auf Zeit fortgesetzt.
Ohnehin fehlen dem Klub, der wegen des Streits mit den Betreibern aus der Arena flog, im Etat derzeit noch fünf Prozent von etwa 2,7 Millionen Euro, so dass die Scorpions-Klage auf 50 Prozent Beteiligung an den Umsätzen aus Merchandising zu einem dummen Zeitpunkt kommt. Ärgerlich scheint auch, dass sich das früher freundschaftliche Verhältnis zu der Eishockey-begeisterten Rockgruppe merklich abgekühlt hat. Einst schwärmte der Gitarrist Rudolf Schenker noch: "Eishockey, das ist wie Rock'n'Roll auf dem Eis." Dann fiel die Klage der Gruppe vor vier Jahren zufällig zeitlich mit einer Veränderung im Privatleben Eric Haselbachers zusammen: Der menschenkundige Manager bändelte mit der Ehefrau Susanne des Scorpions-Mitglieds Matthias Jabs an.