Krupp geht auf DEL-Klubs los
Hannover - Uwe Krupp bewegt sich auf den Spuren von Jürgen Klinsmann.

Wie sein prominenter Kollege vor der Fußball-Weltmeisterschaft hat auch der Eishockey-Bundestrainer mangelnde Fitness seiner Nationalspieler ausgemacht und fordert von den Klubs Konsequenzen.
"Wir müssen wegkommen von Acht-Monats-Verträgen, wir brauchen eine Betreuung der Spieler im ganzen Jahr, damit im Sommer die konditionellen Grundlagen gelegt werden", appellierte der ehemalige NHL-Star auf einer Trainertagung am Rande des Deutschland-Cups an die Deutsche Eishockey-Liga (DEL).
Die konditionelle Situation sei "die größte Baustelle".
Leistungswerte im Vergleich deutlich schlechter
Aus finanziellen Gründen nehmen die meisten DEL-Klubs ihre Spieler nur von August bis April unter Vertrag, den Rest des Jahres sind sie sich selbst überlassen.
Mit erschreckenden Folgen: Die Leistungswerte der A-Nationalspieler sind deutlich schlechter als in anderen Sportarten, sogar der eigene U20-Nachwuchs ist besser austrainiert.
Das müsse sich ändern, wenn sich die deutsche Mannschaft nach dem Wiederaufstieg im Kreis der weltbesten Eishockey-Nationen etablieren wolle, mahnte Krupp.
Hockey vor Eishockey
In Zusammenarbeit mit dem Olympiastützpunkt München werden die Ausdauerwerte der Nationalspieler seit fünf Jahren ermittelt.
Mit dem bedenklichen Ergebnis, dass sie nicht nur deutlich unter denen anderer Sportler liegen, sondern sich auch in dieser Zeit nicht verbessert haben.
Die Geschwindigkeit, bei der die Übersäuerung der Muskeln einsetzt, ist mit 3,5 bis 3,8 Metern pro Sekunde beim durchschnittlichen Eishockey-Nationalspieler um bis zu 20 Prozent niedriger als beim Hockey-Kollegen (4,2).
"Mancher ist nicht austrainiert"
Je später aber diese anaerobe Schwelle überschritten wird, über der die Leistung über einen längeren Zeitraum nicht mehr aufrechtzuerhalten ist, desto besser ist der Trainingszustand.
"Die Widerstandsfähigkeit gegen einsetzende Ermüdung ist bei einigen Spielern absolut unzufriedenstellend", erklärte Sportwissenschaftler Jens Geist, der für den DEB die Daten sammelt und auswertet: "Mancher ist nicht austrainiert."
Regenerationsphasen reichen nicht aus
"Sechs bis acht Problemkandidaten" gebe es im aktuellen A-Team, "einige Spieler kann man in einem Turnier im vierten oder fünften Spiel gar nicht mehr aufs Eis bringen", ergänzte Geist.
Da seit Beginn der Saison die Herzfrequenzen der Spieler auch während der Länderspiele online gemessen werden und so die individuelle Belastung ermittelt wird, sind auch die Folgen unverkennbar.
Die Regenerationsphasen auf der Bank und selbst die Drittelpausen reichen bei einigen nicht, um sich wieder zu erholen. Die Spieler sind ausgepowert und machen mehr Fehler.
Spieler nehmen zu
Doch nicht nur in der Vorbereitung, auch während der Saison gibt es Defizite. "Es gibt Spieler, die nehmen in dieser Zeit sechs bis acht Kilo zu, die sie dann mit sich rumtragen", berichtete Geist. "Das habe ich noch nie erlebt."
Der Sportwissenschaftler einte zudem mit Blick auf die A-WM in Russland (27. April bis 13. Mai 2007): "Eishockey ist die einzige Sportart, in der die Athleten zum Saisonhöhepunkt am schlechtesten in Form sind."
Trainer bleiben Treffen fern
Die angesprochenen Klubs wollten die kritischen Worte gar nicht hören. Nur zwei der 14 DEL-Trainer nahmen an dem Treffen teil, obwohl Krupps Anliegen schon länger bekannt ist.
"Wir haben schon im Sommer in der Sportkommission darüber gesprochen", sagte DEL-Geschäftsführer Gernot Tripcke, der von der schwachen Resonanz selbst überrascht war: "Das Problem ist erkannt."
Die Kritik an den Klubtrainern könne er verstehen: "Sie müssen sich an ihre eigene Nase fassen."

Quelle:
Sport1.de