Über olle Kamellen und die Naivität von Gesellschaftern
Schon Witwe Bolte ging gerne in den Keller, um alten Kohl hochzuholen, „wofür sie am meisten schwärmt, wenn er wieder aufgewärmt.“ Was bei Wilhelm Busch galt, gilt in der DEL schon lange.
Immer wieder holen Menschen, die sich meistens noch nicht sehr lange mit dem Eishockey-Geschäft beschäftigen, die ollen Kamellen aus dem Keller. Zuletzt war es allerdings eher Sellerie, nämlich der „Salary Cap“.
Der soll doch nach Vorstellung einzelner Personen tatsächlich dafür sorgen, dass sich die Clubs nicht mehr gegenseitig überbieten können und damit wirtschaftlich besser dastehen. Wenn ich sowas höre und lese, kann ich angesichts derartiger Naivität nur mit dem Kopf schütteln, obwohl ich dafür fast schon wieder Bewunderung empfinde. Dieselben Menschen glauben vermutlich auch an den Weltfrieden, ehrliche Politiker oder den Literatur-Nobelpreis für Eva Herman.
Zur Erinnerung, wir hatten die festgelegten Gehaltsobergrenzen (damals umgerechnet 3.2 Millionen Euro brutto für den Mannschaftskader) schon zur Jahrtausendwende und es ging voll in die Hose. Um alle Teams gleich zu behandeln, umfasste der Salary Cap nämlich nur die Vorrunde, folglich lockten die Spitzenklubs mit höheren Siegprämien in den Play-offs. Dazu gab es für die Spieler neben den kontrollierten Gehältern aus den Verträgen zusätzliche Anstellungen, z.B. als Golflehrer oder als „Berater“ in der Firma des jeweiligen Hauptgesellschafters.
Die Liga verabschiedete sich wieder von der Idee, ohne es an die große Glocke zu hängen. Und wir lernten daraus, dass die reichsten Clubs immer die teuersten Spieler holen werden, so oder so. Aber wir lernten auch immer wieder, dass die teuersten Spieler nicht automatisch die beste Mannschaft bilden und dann Meister werden. Um Titel zu gewinnen braucht man Tugenden, die in den Scorer-Statistiken nicht enthalten sind, denn Spieler sind zum Glück Menschen.
In der DEL-Geschichte gibt es (auch aktuell) genügend Beispiele, dass Kohle nichts nützt, wenn man nicht damit umgehen kann. Umgekehrt kann man auch mit weniger Geld etwas erreichen, zum Glück gibt es auch dafür Beispiele. Wenn nun nach längst gescheiterten Maßnahmen wie einem Salary Cap gerufen wird, ist das ein Ausdruck der Hilflosigkeit und der Uneinigkeit in der Liga. Man bräuchte sich unter den Gesellschaftern der DEL doch lediglich zu einigen, dass man sich bei der Spieleranwerbung nicht gegenseitig überbietet und dass keiner mehr Geld ausgibt, als er einnimmt.
So, das war jetzt mein Versuch, in Sachen Naivität mit den oben geschilderten Personen gleichzuziehen.
Nun bin ich gespannt, welcher alte Kohl als nächstes aufgewärmt wird. Aufhebung der Ausländerbegrenzung, um mehr Wettbewerb zu schaffen und die Gehälter zu drücken? Aufteilung in regionale Gruppen, um mehr Derbys und weniger Reisekosten zu erzielen? Es genügt, dass man uns dauernd durch frischen Kakao zieht, da brauchen wir nicht auch noch aufgewärmten.
Gruß vom niemals Kakao trinkenden Alexander Brandt