Eishockey-Verband diskutiert Check-Verbot
Um die Zahl der gefährlichen Kopfverletzungen einzudämmen, diskutiert der internationale Eishockeyverband IIHF über ein Verbot von Bodychecks. Eine eigens eingerichtete Task-Force soll das Eishockey "neu denken." Doch schon heute ist abzusehen, dass nicht alle Mitgliedsländer über eine derartige Veränderung begeistert sein werden.
Was auf den ersten Blick wie ein schlechter Scherz anmutet, steht tatsächlich auf der Tagesordnung des Internationalen Eishockey-Verbands IIHF. Die Verantwortlichen des Weltverbandes diskutieren ernsthaft über ein Verbot von Bodychecks. Der Vorschlag dazu kommt aus Finnland. Konkret sieht er vor, dass die verteidigende Mannschaft nur noch in der eigenen Abwehrzone einen gegnerischen Spieler per Körperkontakt von der Scheibe trennen darf. Checks in der neutralen Zone sollen nach den Plänen der Finnen ausnahmslos verboten werden.
"In dieser Situation muss es auch erlaubt sein, eine solche böse Frage zu stellen“, sagt IIHF-Präsident Rene Fasel. Mit dieser Situation meint der Schweizer die Häufung von Gehirnerschütterungen, die insbesondere in der NHL ein zunehmendes Problem darstellen. Seit dieser Saison greifen auch in der besten Liga der Welt, die in ihrer Regelfindung vollkommen unabhängig vom IIHF ist, neue Statuten, die Checks gegen den Kopf in bestimmten Fällen untersagen. Während diese bereits vor Jahren von der IIHF verboten worden sind, schien dies in der NHL vor einiger Zeit noch undenkbar. Prominentestes Opfer ist Kanadas 24 Jahre alter Superstar Sidney Crosby von den Pittsburgh Penguins, der mittlerweile seit über einem Jahr an den Folgen einer Gehirnerschütterung laboriert. Er ist nicht der einzige.
"Eishockey neu denken"
"Wir müssen überlegen, wie wir das am besten verhindern können. Da sollten wir auch über Vorschläge wie sie die Finnen präsentiert haben ernsthaft sprechen“, so Fasel. Ähnlich sind sieht es dessen Vize Murray Costello, der sich den Kampf gegen Kopfverletzung auf die Fahnen geschrieben hat: "Wir müssen das Eishockey in allen Aspekten neu denken“, sagt der ehemalige NHL-Profi aus Kanada. Dazu gehöre auch, dass Thema Bodychecks aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten.
Anfang des Jahres rief der IIHF eine Task-Force ins Leben, um dem Problem mit neuen Ideen Herr zu werden. "Wir ziehen hierbei auch die Wissenschaft zu Rate“, sagt Fasel. Forscher und Ärzte sollen Mitwirken um neue Vorschläge auszuarbeiten. Die aktuelle Debatte kam auch auf, weil Wissenschaftler festgestellt hätten, dass die Folgen von Gehirnerschütterungen weitaus dramatischer seien, als bisher angenommen. Insbesondere die Kumulierung dieser Verletzung im Leben eines Eishockey-Profis könne böse Folgen haben.
Die erste Veränderung, die die Task-Force konkret anregt, ist die Wiedereinführung des Zwei-Linien-Passes, zu Englisch: red-line-offside. Diese Regel sieht vor, dass der Puck nicht über die blaue und rote (Mittel-)linie zugleich gepasst werden darf. "So könnte Pace aus dem Spiel genommen werden“, sagt Costello. Mit der Verbannung des Zwei-Linien-Passes (1998 vom IIHF, 2005 von der NHL) sollte das Gegenteil bezweckt werden: weniger Unterbrechungen und ein schnelleres Spiel.
Je schneller, desto besser?
Noch vor einigen Jahren galt das Credo: je schneller, desto besser. Heute steht auch diese Ansicht zur Debatte. Denn die Checks mit der schwerwiegendsten Wirkung sind oftmals jene, bei denen der gecheckte Spieler mit hoher Geschwindigkeit auf den verteidigenden Gegner zufährt. 2005 wurde zuerst von der NHL, dann auch vom IIHF die Einführung der No-Tolerance-Auslegung verabschiedet. Haken, Halten und Behinderung werden seitdem konsequenter geahndet, das Spiel nahm an Rasanz merklich zu. Eine Diskussion über die Sinnhaftigkeit dieser Regelung könnte womöglich bald ins Haus stehen.
In Deutschland mag die Debatte bisweilen etwas absonderlich anmuten. Denn die Problematik spielt in den Eishockey-Ligen der Republik kaum eine Rolle, da Körperspiel und Spieltempo zwischen NHL und europäischen Top-Ligen schwer zu vergleichen sind. Zwar leierte Berlins Manager Peter-John Lee kürzlich eine Diskussion über das Thema Checks gegen den Kopf auch hierzulande an, doch wurden seine Einwände kaum beachtet. "Wir sind gerne bereit darüber zu reden. Eine Zunahme von Gehirnerschütterungen sehen wir in der DEL aber nicht“, sagt Liga-Chef Gernot Tripcke und bestätigt damit sicherlich den Eindruck der meisten Beobachter. Krachende Checks sind auf deutschem Eis weiterhin eine Seltenheit.
Mitgliedsländer weichen immer öfter ab
Sollte der IIHF in der Tat einen großen Einschnitt planen und mittelfristig womöglich sogar ein Check-Verbot aussprechen, ist fraglich, ob sich die Mitgliedsverbände solchen Veränderungen anschließen würden. Denn schon heute weichen die Länder in Regelfragen immer öfter von den Vorgaben des IIHF ab. Zwar ist Grundlage aller europäischen Ligen nach wie vor das Regelbuch des Weltverbandes, durch Änderungen von Statuten und Interpretationsvorschriften können die souveränen Länder ihre Regularien aber beliebig anpassen.
Davon wird auch reichlich Gebrauch gemacht. Egal ob DEL, KHL oder woanders in Europa, fast jede Liga hat in einigen Detailfragen vom IIHF abweichende Vorgehensweisen festgehalten. Erst zu Beginn dieses Jahres verabschiedete die österreichische Liga EBEL ein großes Regel-Paket, das in vielen Punkten neues bringt. Angeschoben wurden die Neuerung von Lyle Seitz, einem ehemaligen NHL-Schiedsrichter, der in Österreich als Schiedsrichterboss das Sagen hat. So gibt es in der Alpenrepublik ab sofort kein Torraumabseits mehr, Mannschaften können eigenständig den Videobeweis beantragen und für Faustkämpfe werden nach NHL-Vorbild lediglich fünf Strafminuten vergeben.
Während die IIHF-Verantwortlichen um Fasel letztere am liebsten mit einer Matchstrafe geahndet sehen, sind vor Österreich bereits Großbritannien und Russland (KHL) diesen Weg gegangen. In Deutschland gilt seit Jahren ebenfalls eine entschärfte Regelung (14 Strafminuten statt Spieldauer) und auch in Schweden gab es eine öffentliche Diskussion um die Bestrafung von Faustkämpfen nach NHL-Maßgabe.
Einzig in Finnland stoßen solche Gedanken auf strikte Ablehnung. Erst kürzlich wurden wieder zwei Spieler für drei Partien gesperrt, weil sie sich einen Faustkampf auf dem Eis lieferten. Kein Wunder also, dass die Finnen auch gerne eine Liga ohne Checks hätten. Mehrheitsfähig ist dieser Vorschlag aber vermutlich nicht.
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