Freiflug hat geschrieben:
Ich will den Uli damit nicht verteidigen oder die Sache runterreden, aber was man hier und da so lesen darf ist zum Teil schon unter aller Kanone.
Das tust du aber. Und mittlerweile verstehe ich die Mitglieder des FCB so wenig wie das Verhalten von Hoeneß
Vorweg, ich habe keine besondere Beziehung zu diesem Club. Ich war vier Mal Bayern-Fan: 1. Als ich gesehen habe, wie Paul Breitner den modernen Verteidiger interpretiert, 2. als Josef Maier das erste Mal als Karl Valentin unterwegs war, 3. als ich zum ersten Mal Mehmet Scholl habe spielen sehen und 4. als ich zum ersten Mal Ribéry bei einem deutschen Club sehen konnte. Bayern-Hasser war ich 1. Als Beckenbauer mehr gemacht hat, als sich auf das Spielen zu konzentrieren, 2. als Matthäus zum ersten Mal seinen Mund geöffnet hat und 3. als Effenberg versucht hat, dem Volk die Lage der Nation zu erklären. Kommen hüben wie drüben noch ein paar Momente dazu, aber insgesamt ist mir der Club relativ egal. Fußball an sich ist jetzt für mich nicht so wichtig.
Mittlerweile verstehe ich das Verhalten der FCB-Mitglieder aber ebenso wenig wie das Verhalten ihres Präsidenten. Ich frage mich, was muss passieren, um Solidarität, Rechtsempfinden und Moral so kollidieren zu lassen, damit der "Lemminge-Effekt" aufgehoben wird?
"Um das Maß an Überschätzung zu erreichen wie er, müsste ich hundert Jahre alt werden....Erstaunlich, dass ein Mann mit einem solchen Charakter Präsident eines Bundesligisten werden kann....Das ist der Dreck, an dem unsere Gesellschaft irgendwann ersticken wird...Wenn das alles Fakt ist, worüber geschrieben wurde, auch unwidersprochen über den Steuerbetrüger Hoeneß, dann kann er nicht Präsident bleiben..Lieber gar keinen Präsident als so einen Präsident...."
(Alles übrigens Sprüche von Hoeneß, nur der Empfänger war ursprünglich ein anderer und wurde umgekehrt.)
Es mag sein, dass unsere Gesellschaft dazu neigt, gewisse Personen des öffentlichen Lebens in einer Art von Sensationsheischerei zu begaffen und vorzeitig an den Pranger zu stellen, andererseits verlieren aber viele in ihrer bedingungslosen Hingabe jegliches Kritikbewusstsein.
Es wird ja gerne darauf hingewiesen, dass Hoeneß ein Wohltäter an dieser Gesellschaft ist, dass er nicht nur seinen Club verteidigt, sondern sich auch den Bedürftigen zuwendet und Gutes tut. Finde ich prima, aber kann man mit Karma eine Mischkalkulation machen? Darf ich, wenn ich vier Menschen das Leben rette, einen Mensch meiner Wahl umbringen? Darf ich, wenn ich mein Erspartes an Arme verteile, auch eine Bank überfallen, damit mein Konto wieder glatt ist?
Hoeneß hat zunächst mal den Club nach vorne gebracht. Rechtfertigt das fehlendes Kritikbewusstsein? Hat der Erfolg wirklich bewirkt, dass nahezu jeder, der den Club mag, sich benimmt, als müsste eine Löwenmutti ihr Junges verteidigen? Hoeneß hat Gutes getan, aber mit vollen Hosen ist gut stinken. Er ist eigentlich nie so weit gegangen, dass es für ihn einen Verzicht bedeutet hätte. Jetzt, wo dies der Fall wäre, klebt er an der Macht wie die Scheiße am Schuh und zeigt exakt das Verhalten der Politiker und Wirtschaftsbosse, für die Verantwortung ein Fremdwort ist. Ganz plötzlich werden private Verfehlungen von der beruflichen Karriereleiter gekickt, wo man sich die beruflichen Erfolge doch immer so gerne auf die private Habenseite geschrieben hat.
Apropos, Politiker und Wirtschaftsbosse: Mit ihnen hat sich Hoeneß immer gerne gezeigt. Er hat unmissverständlich aufgezeigt, dass er etwas zu sagen hat. Er hat keine Talkshow ausgelassen, um dem kleinen Mann zu erklären, was Moral ist und wie redliches Handeln funktioniert. Er hat andere Meinungen in Bausch und Bogen verdammt, er hat den Zeigefinger so weit gehoben, dass er jede Saaldecke erreicht hat. Gelten für so einen Mann die gleichen Maßstäbe wie für jeden anderen? Das ist aus meiner Sicht auch der Unterschied zwischen dem Straftäter Hoeneß und dem Straftäter Rummenigge. Letzterer war zwar mehr als reichlich dämlich, hat sich aber niemals zum Sprachrohr einer guten Republik erkoren.
Vor dem Gesetz sollte man ihn aufgrund seiner Prominenz weder mit einem Bonus noch mit einem Malus versehen, aber moralisch ist der Mann untragbar. Der Hinweis auf die Unschuldsvermutung ist unangebracht, denn er ist mit Abgabe seiner Selbstanzeige geständig. Er ist de facto ein Rechtsbrecher, lediglich Urteil und Strafmaß sind noch offen. Und es ist wohl auch erwiesen, dass die Selbstanzeige eine Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft zugelassen hat, dass also auch im Moment der Selbstanzeige nur darauf geachtet wurde, wie man aus dieser Nummer möglichst unbeschadet rauskommt. Soll das bitte Reue sein? Hat Reue etwas mit Salamitaktik zu tun? Scheibchenweises Bereuen der gerade bestätigten Verdachtsmomente.
Was soll Hoeneß als Repräsentant seines Clubs in der Zukunft tun? Er selbst hätte gerne Normalität, aber seine Spuren der Vergangenheit beschränken sich nicht auf die Leitung eines Fußballclubs, sondern reichen weit in das politische und gesellschaftliche Leben. Und da kommt das gemeine Bayern-Mitglied und feiert so einen Mann, als wäre gerade der Messias zurück gekehrt. Ich bin weit davon entfernt, Hoeneß mit anderen fragwürdigen Personen der Zeitgeschichte zu vergleichen, aber zumindest erkenne ich in dem Verhalten der FCB-Mitglieder mir bislang unerklärliche Phänomene, wie man jemand beurteilt, ohne der Realität ins Auge zu sehen.
Hoeneß macht nicht nur Würste, er selbst ist die größte Wurst. Wirklich schlimm ist aber, dass die Wurst ranzig riecht und so viele trotzdem reinbeißen wollen. Ich würde das Kotzen präferieren.