Danke, Bayerischer Rundfunk

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Urmel1974
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Danke, Bayerischer Rundfunk

Beitrag von Urmel1974 »

http://www.sueddeutsche.de
25.09.2003 14:05 Uhr


Mikrophon statt Mandat

Günther Koch bleibt Radio-Reporter

Der Rundfunkreporter Günther Koch wird sein SPD-Landtagsmandat nun doch nicht annehmen. Das teilte der Bayerische Rundfunk (BR) am Donnerstag nach einem Gespräch Kochs mit BR-Intendant Thomas Gruber mit. Günther Koch bleibe Fußballreporter.

Um weiter für den Bayerischen Rundfunk tätig bleiben zu dürfen, verzichtet der Fußball-Reporter Günther Koch auf sein am Sonntag für die SPD errungenes Landtagsmandat.

Wie der BR am Donnerstag in München mitteilte, hat sich Koch nach einem Gespräch mit dem Intendanten Thomas Gruber entschlossen, sein Mandat als Landtagsabgeordneter nicht anzunehmen. Die Entscheidung fiel Koch laut BR dabei „alles andere als leicht“.

BR-Intendant Thomas Gruber erklärte, die von ihm bereits im vergangenen Jahr geäußerte Unvereinbarkeit von politischem Mandat und Reportertätigkeit gelte weiter. Er habe dies noch vor der Wahl in einer Dienstanweisung formuliert.

Gruber erklärte, Koch habe wohl „aufgrund von Kommunikationsdefiziten“ bis zuletzt geglaubt, beide Jobs machen zu können.

Die von Koch erhoffte Vereinbarkeit von Mandat und Mikrophon scheiterte jedoch an den Regularien des Senders.

Gruber betonte, er freue sich über Kochs Entscheidung: „Nun bleibt Koch in seiner unverwechselbaren Art als Markenzeichen der Fußballreportage erhalten.“

Obwohl er nur über die Zweitstimme zu wählen war, hatte der 61-Jährige am Sonntag mit 54.000 Stimmen das beste Ergebnis der mittelfränkischen Sozialdemokraten geholt, obwohl er als reiner Listenbewerber ohne eigenen Stimmkreis angetreten war.

Der Fall des vor allem als leidenschaftlicher Reporter von Spielen des 1. FC Nürnberg bekannt gewordenen Koch hatte im Wahlkampf hohe Wellen geschlagen und einen Streit zwischen CSU und Sozialdemokraten ausgelöst.

Die SPD hatte den durch die Bundesliga-Konferenzschaltung bundesweit bekannten Hörfunk-Reporter als populären Stimmenfänger für die fränkische SPD zu einer Kandidatur eingeladen, nachdem sich die aus Nürnberg stammende Bundesfamilienministerin Renate Schmidt nicht mehr für den Landtag beworben hatte.

Sechs Wochen vor der Wahl hatte der Reporter bereits eine Sendepause einlegen, die laut Gruber ab sofort beendet ist.
Es darf also ein namhafter Fußballreporter nicht für eine Partei im Landtag sitzen, während im Bereich der Politik nach wie vor BR-Leute ungeniert ihre Nähe oder jedenfalls mangelnde Distanz zur CSU rüberbringen dürfen. Das soll mal einer verstehen können...

In Art. 2 des Bayerischen Abgeordnetengesetzes heißt es übrigens wie folgt:
Art. 2 Schutz der freien Mandatsausübung

(1) Niemand darf gehindert werden, sich um ein Mandat im Bayerischen Landtag oder in der gesetzgebenden Körperschaft eines anderen Landes zu bewerben, es zu übernehmen oder auszuüben.

(2) Benachteiligungen am Arbeitsplatz im Zusammenhang mit der Bewerbung um ein Mandat sowie der Annahme und Ausübung eines Mandats sind unzulässig.

(3) Eine Kündigung oder Entlassung wegen der Annahme oder Ausübung eines Mandats ist unzulässig. Eine Kündigung ist im übrigen nur aus wichtigem Grund zulässig. Der Kündigungsschutz beginnt mit der Aufstellung des Bewerbers durch das dafür zuständige Organ der Partei oder mit der Einreichung des Wahlvorschlags. Er gilt ein Jahr nach Beendigung des Mandats fort.
Juchhu, es lebe die Arroganz der (CSU-)Macht :evil:
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shmul van Fugger
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Re: Danke, Bayerischer Rundfunk

Beitrag von shmul van Fugger »

Ts, ts... Urmel, Urmel... und so was als Anwalt. Der BR ist öffentlich rechtlich und nicht privat also gilt neben dem von dir erwähnten Abgeordnetengesetz vorallem auch das Bayrische Rundfunkgesetz (BayRG) und da heisst es unter anderem:
Art. 4
Grundsätze und Verpflichtungen für Sendungen, Werbesendungen

(1) Die Sendungen des Bayerischen Rundfunks dienen der Bildung, Unterrichtung und Unterhaltung. Sie sollen von demokratischer Gesinnung, von kulturellem Verantwortungsbewusstsein, von Menschlichkeit und Objektivität getragen sein und der Eigenart Bayerns gerecht werden. Der Bayerische Rundfunk hat den Rundfunkteilnehmern einen objektiven und umfassenden Überblick über das internationale, das nationale und das bayerische Geschehen in allen Lebensbereichen zu geben.

(2) Unbeschadet von § 3 des Rundfunkstaatsvertrages ergeben sich hieraus insbesondere folgende Verpflichtungen:

1. In allen Angelegenheiten von öffentlichem Interesse sind die verschiedenen Auffassungen im Gesamtprogramm ausgewogen und angemessen zu berücksichtigen.

7. Die Angestellten des Bayerischen Rundfunks dürfen bei der Programmgestaltung weder einseitig einer politischen Partei oder Gruppe noch Sonderinteressen, seien sie wirtschaftlicher oder persönlicher Art, dienen. Sie können jedoch in eigenen Kommentaren und in Sendungen, die kritisch Stellung nehmen, ihre persönliche Meinung äußern. Kommentare sind von der Berichterstattung deutlich zu trennen und unter Nennung des Verfassers zu kennzeichnen.

8. Bei Beschäftigung der unter Ziffer 7 genannten Personen ist Abs. 1 Satz 2 zu beachten.

9. Berichterstattung und Informationssendungen haben den anerkannten journalistischen Grundsätzen, auch beim Einsatz virtueller Elemente, zu entsprechen. Sie müssen unabhängig und sachlich sein. Nachrichten sind vor ihrer Verbreitung mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf Wahrheit und Herkunft zu prüfen.
Damit will ich jetzt nicht sagen, dass ich das gut finde. Es wäre aber auf jeden Fall ein Interessenskonflikt. Oder wie siehst du das?

s.v.F.
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Urmel1974
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Beitrag von Urmel1974 »

@ s.v.F.: Vielen Dank fürs Heraussuchen und Hervorheben anderer Normen. Der von Dir selbst fett markierte Art. 4 Abs. 2 Nr. 7 S. 1 BayRG steht wohl kaum der Sportreportage durch einen SPD-Landtagsabgeordneten entgegen.
Im politischen Bereich dürfte es sicherlich unstreitig anders aussehen.
Und das ist für mich eine gewisse Scheinheiligkeit, dass einem Sportreporter seine politischen Überzeugungen und ein souverän als reiner Zweitstimmenkandidat erreichtes Mandat zum Nachteil gereichen sollten, während mir jedenfalls aus den letzten Jahren kein Fall bekannt ist, in dem man beispielsweise einem Herrn Bönte oder einem Herrn Gottlieb seine eindeutige Unionsnähe vorgehalten hätte (okay, ich sehe das mit der Möglichkeit der eigenen Meinungsäußerung, die zulässig ist, schon- aber in einer Politiksendung ist sicherlich die Gefahr einer Beeinflussung größer als in einer Sportreportage).
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shmul van Fugger
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Beitrag von shmul van Fugger »

&quot hat geschrieben:Herrn Bönte oder einem Herrn Gottlieb
Sind das Abgeordnete? Wenn ja, dann stinkt das allerdings gewaltig zum Himmel. Ansonsten geb ich dir natürlich recht, dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird. Siehe (Mist, Name vergessen... Panorama?)-Sendungen aus München.

s.v.F.
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Beitrag von Urmel1974 »

&quot hat geschrieben: Sind das Abgeordnete?
Nein, sie sind keine Abgeordnete- aber für ich ist es schon zweierlei Maß, wenn einerseits gewisse Herren im Politikbereich des BR klar Parteinahmen erkennen lassen, anderseits aber ein Sportreporter, der wohl kaum in die Lage kommt, bei seinen Sendungen politisch beeinflussen zu wollen, aufgrund eines Landtagsmandats seine Nebentätigkeit nicht mehr ausüben dürfte.

Letzlich gehen viele ramponiert aus dieser Angelegenheit heraus, ein Kommentar in der heutigen SZ bringt es sehr gut auf den Punkt:
&quot hat geschrieben:Kommentar

BR und Koch ramponiert




Im Fall des Fußballreporters Günther Koch, der sein frisch errungenes SPD-Landtagsmandat zurückgibt, um weiter live aus dem Stadion berichten zu dürfen, gibt es nur Verlierer. Zum einen den Bayerischen Rundfunk, der wieder einmal einen peinlichen Kniefall vor der CSU gemacht hat. Die generelle Anordnung, dass sich ein politisches Mandat und eine Tätigkeit für den BR ausschließen, ist unsinnig. Wenn ein Rundfunk-Mitarbeiter über Politik berichtet und dann selber ein politisches Mandat ausübt – das geht nicht. Warum aber einer nicht im Landtag sitzen darf und in seiner Freizeit ein Fußballspiel kommentieren, einen Tierfilm drehen oder den Musikantenstadl moderieren darf, ist unerfindlich. Eine Partei, die gerade die Zwei-Drittel-Mehrheit gewonnen hat, sollte mit der Popularität eines Oppositionsabgeordneten, die dieser seiner Nebentätigkeit als Sportreporter verdankt, souveräner umgehen.


Aber auch Günther Koch steht ramponiert da. Mit seinem Mandatsverzicht hat er massiv die eigene Glaubwürdigkeit beschädigt. Koch wollte mit seiner Kandidatur ausdrücklich ein Signal gegen Politikverdrossenheit setzen – wollte zeigen, dass sich Engagement lohnt. Diejenigen, die ihn im Vertrauen darauf, dass er das ernst meint, gewählt und sogar zum Stimmenkönig in Mittelfranken gemacht haben, müssen sich jetzt grob getäuscht fühlen. Koch hat sich im Konflikt zwischen Pflicht und Neigung für die Neigung entschieden – und sich damit als einer entlarvt, dem das Gemeinwohl, für das er angeblich gekämpft hat, letztlich wurscht ist, wenn es sich mit seinem persönlichen Zielen nicht vereinbaren lässt. Sein Dilemma hätte Koch nur auf eine Weise lösen können: Den Wählerauftrag annehmen und zu einem Sender wechseln, bei dem nicht die CSU das Sagen hat.


Peter Fahrenholz
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