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08.12.03
Langsames Siechtum, plötzliches Ende
Wie es Nominikat und Kress gelang, den SCR in acht Monaten gegen die Wand zu
fahren
Quelle: GAP – Tagblatt von Peter Reinbold Garmisch-Partenkirchen - Der Anfang vom Ende der SC Riessersee in der 2. Eishockey-Bundesliga - er begann wahrscheinlich am 30. März 2003. Vor dem dritten Playoff-Viertelfinale gegen den EHC Wolfsburg verließ Joachim Heinz Josef Kress seine Deckung, trat aus dem Dunkel der Anonymität ans Licht der Öffentlichkeit, das er so liebt, weil es wichtig ist für sein Ego. Welch unangenehmer Zeitgenosse Kress ist, bekam an jenem Tag eine Kollegin in der
Redaktion des Garmisch-Partenkirchner Tagblatts zu spüren, die Spätdienst tat und von Kress sowie Ludwig Nominikat und Horst Lasse via Telefon terrorisiert wurde, weil sie nicht parierte und funktionierte, wie es Kress vorschwebte.
Der Mann, der die Segnungen des deutschen Strafvollzugs am eigenen Leib genießen durfte, weil als Betrüger und Steuerhinterzieher verurteilt, präsentierte sich zwölf Stunden später im Hinterzimmer der Geschäftsstelle als Vordenker von Nominikat, Geschäftsführer der SCR Vermarktungs GmbH, und Horst Lasse, der damals in dem Glaube lebte, er verfüge über die Mehrheit der GmbH-Anteile. Kress parlierte, und seine beiden willfährigen Helfer nickten seine Idee vom Umzug nach Stuttgart ab, sollten gegen Wolfsburg nicht mindestens 3000 Zuschauer kommen. Lasse hatte Kress, der sich bei seiner Verhaftung Arm wie eine Kirchenmaus vor Jahren als "arm wie eine Kirchenmaus" bezeichnete, ins SCR-Boot geholt. Der nützte die Abwesenheit von Lasses Ehefrau Sybil Danning - die Österreicherin spielte nicht nur in ihren Filmen häufig Amazonen, sondern war der dominierende Teil in der Beziehung mit dem Ex-Garmisch-Partenkirchner Lasse _, um Ludwig Nominikat auf seine Seite zu ziehen und die Macht an sich zu reißen. Lasse, ein Blender der angenehmen Art, verlor damit nicht nur den Kampf um die Vermarktungs GmbH, sondern auch noch seine Frau, die in die USA zurückkehrte, während er zunächst in Garmisch-Partenkirchen blieb, danach nach München zog und sich derzeit in Dubai aufhalten soll.
Während Sybil Danning dem SCR in diversen Boulevard-Blättern durch ihre
Vergangenheit als Schauspielerin zu einer seit Jahren nie gekannten Medienpräsenz verhalf, verkehrten Kress und Nominikat die positive Grundstimmung, die sich in Eishockey-Deutschland - nicht zuletzt wegen der sportlichen Erfolge - eingestellt hatte, in den Wochen nach der Vizemeisterschaft scheibchenweise ins Gegenteil. Von Großmannssucht befallen und von der eigenen Person und Hirngespinsten berauscht, traten sie zielsicher von einem Fettnäpfchen ins nächste, legten sich mit dem Deutschen
Eishockey-Bund und der Eishockey-Spielbetriebsgesellschaft an, verhängten Hausverbote gegen DEB-Generalsekretär Franz Reindl und ESBG-Geschäftsführer
Helmut Bauer, weil sich Kress verfolgt und schlecht behandelt fühlte. Schon im Juli stand Geschäftsführer Nominikat und dem bestellten Generalbevollmächtigten Kress das Wasser finanziell bis zum Hals. Die Lizenz erschwindelten sie sich, fabulierten bei einem Eishockey-Stammtisch dieser Zeitung und wenige Wochen später bei einem Fanforum von großen Sponsoren, die Schlange stehen würden, um ihr Geld beim SCR los werden zu können. Das "Duo infernale", das es nur im Doppelpack gab, weil Nominikat ("Der Jochen hat mir den Weg gezeigt") von Kress nicht lassen und nicht ohne ihn sein
Werk verrichten wollte, verstrickte sich mehr und mehr in ein Konglomerat
von Unwahrheiten, Lügen und Intrigen. Und sie verprellten mit Steven Barnes den wahrscheinlichen Retter. Die Möglichkeit, den Kanadier über den Tisch zu ziehen, war stärker als die Chance, als Saubermänner aus der Geschichte heraus zu kommen.
Die Gier, sich selbst zu bereichern, Geld in die Schweiz zu schaffen, überwog alles.
Konglomerat von Lügen und Intrigen Als die Seifenblase zu platzen drohte, ließ Kress seine Beziehungen zu dubiosen Vermittlern spielen. Doch selbst die bekamen kalte Füße, als Fans und Medien den Druck erhöhten. Mit Protestaktionen machte der Fanclub Blue
Angel mobil, das Garmisch-Partenkirchner Tagblatt _ gegen einen Redakteur erließ Kress ebenfalls ein Stadionverbot, das das Landgericht München II wieder aufhob - dokumentierte penibel die Fehler Nominikats und Kress'. Erst als die GmbH nur noch Bruchteile von Millimetern vor der Wand stand, entschlossen sich auch die ESBG, Behörden und Gläubiger zum Handeln. Die AOK stellte Insolvenzantrag, die ESBG verhängte Heimspielsperre und Lizenzentzug. Das langsame Siechtum des SC Riessersee ging seinem Ende entgegen. Der Patient, seit Wochen im Koma, hauchte am 5. Dezember 2003 sein Leben aus. Das Ende. Die Fans machten mobil, den Untergang des SC Riessersee konnten sie aber nicht verhindern.
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Chronik des Schreckens: Die Etappen des Riesserseer Niedergangs
Januar
Der erste Abgang: Joseph Heiß legt seinen Posten als Sportlicher Leiter nieder, weil er "nicht damit einverstanden war, was bei uns in den vergangenen Wochen abgelaufen ist." Ein Vorläufer unzähliger Querelen.
März
Joachim Kress, Einflüsterer der damaligen GmbH-Spitze Ludwig Nominikat sowie
Horst Lasse/Sybil Danning, tritt aus deren Dunstkreis. Als Wortführer droht Kress, den SCR nach Stuttgart umzusiedeln, falls zum dritten Playoff-Spiel gegen Wolfsburg nicht mehr Zuschauer kommen. Die innigen Freunde Lasse und Nominikat lassen Kress, der wegen Steuerhinterziehung, Konkursverschleppung und Betrugs einsaß, gewähren.
April
Am Rande der Bande kommt es zum Eklat. Zeitnahme-Mitarbeiter quittieren
wegen Zwistigkeiten mit der GmbH-Führung ihren Dienst. Die Mannschaft wird Vizemeister, gleich danach hebt sich auf der GmbH-Bühne der Vorhang für das Riesserseer Bauerntheater _ den Intrigantenstadl: Nominikat schießt über Boulevard-Medien massiv gegen Lasse/Danning. Spieler klagen über ausstehende Gelder. Im Hintergrund zieht Kress die Fäden.
Mai
Die nächste Bombe platzt: Lasse/Danning erfahren, dass sie gar keine Gesellschafter der Vermarktungs GmbH sind. Nominikat hatte ihnen bereits zuvor den Status abgesprochen. Danning fliegt ab, Lasse spricht von einer Schadensersatzklage, die er wegen entgangener Geschäfte gegen die GmbH anstrengen möchte. Tags darauf versöhnen sich die Streithähne medienwirksam in einer Rechtsanwaltskanzlei, wiederum einen Tag später entpuppt sich der Friedensschluss als Seifenblase. Schmierentheater gibt es auch um Adam Smith: Riessersee gibt die Trennung von dem Verteidiger bekannt, der längst
einen neuen Vertrag unterschrieben hatte _ und von dem Vorgang über die Medien erfährt. Der SCR will in die DEL, die Lizenz erhält jedoch Meister Freiburg. Kress erklärt, der Etat für die neue Zweitliga-Saison rangiere "unter den ersten 25 Prozent der Liga".
Juni
Die Mannschaft wartet noch immer auf Gehalt aus der abgelaufenen Saison, wird ständig vertröstet. Nominkat erstattet derweil Anzeige im Namen der GmbH gegen Lasse/Danning _ "wegen des Verdachts des Betrugs und/oder gegebenenfalls Unterschlagung". Dabei steht eine Summe von 200 000 Euro im Raum. Auch von Untreue ist die Rede. Lasse kontert: Er geht gegen Nominikat wegen "Verleumdung und übler Nachrede" vor und kündigt weitere Anzeigen an.
Juli
Kress erteilt dem Deutschen Eishockey-Bund (DEB) und der Eishockey-Spielbetriebsgesellschaft (ESBG) Hausverbot für die SCR-Heimpartien, hebt es aber später wieder auf. Nach zähem Ringen erhält Riessersee die Lizenz für die 2. Liga. Die Brüder Martin und Benjamin Hinterstocker klagen derweil ausstehende Prämien ein. Beim Tagblatt-Eishockey-Stammtisch spürt das untrennbare Duo Nominikat/Kress den
eisigen Gegenwind der Fans. Es folgt ein Stühlerücken: Der Sportliche Leiter Hans Nominikat hört als "Mädchen für alles" auf _ offiziell ohne Angaben von Gründen. Burkhard Stüwe, für Marketing und Öffentlichkeitsarbeit zuständig, räumt seinen Posten hingegen unfreiwillig. Mit dem Verein liegen die GmbH-Herren indes wegen des Fanartikelverkaufs im Clinch.
September
Die Namen groß angekündigter Sponsoren bleiben ein Geheimnis. Die Präsentation wird zum x-ten Mal abgesagt. Dafür tritt die Familie Barnes aus Kanada auf den Plan, die in die finanziell marode GmbH einsteigten möchte. Nominikat/Kress wollen ihr 60 Prozent für insgesamt 1,8 Millionen Euro andrehen. In der Mannschaft wächst die Unruhe, in der Anhängerschar formieren sich erste Proteste gegen Kress/Nominikat. Der Geschäftsführer entlässt den mit einem Fünf-Jahres-Vertrag über 600 000 Euro ausgestatteten Sportmanager Rolf van Hauten wegen "vereinsschädigenden Verhaltens im großen Umfang". Van Hauten zieht dagegen vor Gericht.
Oktober
Die nächsten Köpfe rollen: Nominikat kündigt den beiden Sekretärinnen Sabine
Lucas und Sabine Reiter, weil sie sich privat mit van Hauten, "dem größten Verbrecher" (Nominikat), getroffen hatten. Sie klagen auf Wiedereinstellung. Steven Barnes und Familie, die nun 60 Prozent der GmbH für einen Euro übernehmen sollen, kommen an _ es folgt eine endlose Geschichte mit mehreren geplatzten Notarterminen und veränderten Übernahmeverträgen. Barnes reisen wieder ab. Wegen anhaltender Querelen kündigt Sponsor "Iffoxx". Ab sofort protestieren die SCR-Fans in jedem Heimspiel und zunehmend heftig mit Plakaten und Sprechchören gegen Kress/Nominikat. Der
"Generalbevollmächtigte" Kress bietet Stürmer Tim Regan ohne dessen Wissen
beim EC Bad Tölz an. Dann überschlagen sich die Ereignisse: Die ESBG kündigt eine Außenprüfung an, um die bei der Lizenzierung vorgelegten Unterlagen unter die Lupe zu
nehmen; Nominikat entlässt Trainer Peter Gailer. Das sehnlichst erwartete Barnes-Geld für Spielergehälter und Sozialabgaben trifft ein _ doch Nominikat lässt den Notartermin sausen, an dem der Kanadier nun 100 Prozent der GmbH samt Verbindlichkeiten erhalten sollte. Ein GmbH-Schuldenstand in Höhe von über 488 000 Euro wird publik. Immer wieder tauchen neue offene Rechnungen auf. Der Verein SCR wartet ebenfalls auf Geld, stellt Strafanzeige wegen Betrugs und kündigt den Kooperationsvertrag.
November
Die finanzielle GmbH-Lage wird imme aussichtsloser. Das Kartenhaus bricht
zusammen. Gerichtsvollzieher pfänden Einnahmen, die Computerkassen werden
abtransportiert. Die Fans tragen in einem Protestzug symbolisch ihren SCR zu
Grabe, in einem zweiten Marsch gehen Hunderte auf die Straße; Kapitän Josef
Lehner tritt zurück. Nominikat entmachtet den Generalbevollmächtigten Kress - allerdings nur scheinbar. Das letzte Barnes-Ultimatum lässt er verstreichen. Gemeinsam mit Kress versucht er, Geld aufzutreiben. Ein Ausrüster holt Teile des Materials ab. Freigänger, die für die GmbH arbeiteten, verbleiben "aus finanziellen Gründen" in der JVA. Ein Autohaus zieht die Mannschaftswagen vorübergehend ein, und eine Saarbrücker Firma, die den SCR sponsoren wollte, sagt ab. Spielern soll der Strom abgedreht werden, auch ins Stadion darf das Team nur noch gegen Bezahlung. Neu-Trainer Doug Bradley kommt für Eiszeiten und Schläger auf. Der SCR sieht seinem Ende
entgegen: Eine Krankenkasse stellt Insolvenzantrag gegen die GmbH, Schecks
platzen, wieder werden Autos der Profis abgeholt. Die ESBG verhängt wegen
ausstehender Verbandsabgaben die erste Heimspielsperre, eine zweite und
damit der Lizenzentzug folgen. Barnes' ziehen sich zurück. Auch der
ESBG-Aufsichtsrat beschließt, Riessersee die Lizenz zu nehmen, die es sich
mit falschen Angaben erschlichen hatte. Die Mannschaft löst sich auf. Das
Profi-Team - Geschichte.
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Erste Hilfe nach dem Exitus
Im Ort formiert sich Unterstützung
Garmisch-Partenkirchen - Er erlebte und durchlitt die Verelendung. Erst gehörte er als Sportlicher Leiter zum engeren Zirkel, bis er im Januar das Geschehen nicht mehr mit sich vereinbaren konnte. Joseph "Peppi" Heiß stieg aus. "Es mischten sich Leute ein, die vom Sportlichen keine Ahnung hatten und die man gewähren ließ", sagt er. Und: "Es gab finanzielle Dinge, die nicht sein konnten."
Der Funktionär Heiß ging auf Distanz zur SC Riessersee Eishockey Vermarktungs GmbH. Fortan verfolgte er als involvierter Außenstehender, wie der damalige Wortführer Horst Lasse verschwand und in Joachim Kress der Nächste den Platz an der Seite von Geschäftsführer Ludwig Nominikat einnahm. "Und Kress", sagt Heiß, "war noch viel schlimmer. Jeder wusste, dass es irgendwann aus ist, wenn es so weitergeht."
"Man kann sich für keinen Roman oder Krimi das einfallen lassen, was in den letzten zwei Jahren hier abgelaufen ist. So etwas kann man nicht erfinden." Peppi Heiß
Das Garmisch-Partenkirchner Profi-Eishockey erlebte einen öffentlichen Tod, es starb vor aller Augen, und niemand leistete Erste Hilfe. Nun, da der Exitus eingetreten ist, rühren sich viele Hände. "Überall hört man", sagt der deutsche Rekord-Nationaltorhüter aus Garmisch-Partenkirchen, "dass Leute bereit sind, mitzumachen - Geschäftsleute, die dem Eishockey verbunden sind, und solche, die bisher nichts damit zu tun haben wollten wegen der Führung."
Der Gewerbeverband initiierte für heute ein Treffen, dem neben Heiß auch der geschasste SCR-Trainer Peter Gailer, Vertreter des Vereins sowie des Deutschen Eishockey-Bundes beiwohnen. Heiß geht es darum, dass alle, die bereit stehen, gemeinsame Sache machen. "Man muss Verantwortung und Arbeit auf mehrere Schultern verteilen." Er stellt die seinen zur Verfügung, hilft als "einer von vielen". Seine Reputation öffnet nach wie vor Türen, bis ins Bayerische Fernsehen. Das bietet ihm heute in "Blickpunkt Sport" (21.45 Uhr) ein Forum für seine Mission. "Ich habe nur zugesagt, weil ich dazu aufrufen möchte, dass die Leute den Verein unterstützen und um klarzustellen, dass der Klub nicht
diese GmbH ist. Er kann nichts dafür." Und doch leidet er darunter. "Das Allertraurigste ist doch", findet Heiß, "dass der Name kaputt gemacht oder zumindest in den Dreck gezogen wurde durch das, was diese Leute getrieben haben." Nominikat, der absolutistische Alleinherrscher über die SCR-Gesellschaft, und Kress, sein mächtiger Einflüsterer und Strippenzieher. "Nie mehr", sagt Heiß, "darf ein einziger 100 Prozent der GmbH bekommen." Überhaupt: Wie könnte die Zukunft aussehen? "Das ist ganz schwer zu sagen."
Für einen demütigen Neubeginn in der Landesliga spreche, dass "der Verein dann wieder eine saubere Weste hat und es durch seine Nachwuchsarbeit schafft, nach oben zu kommen. Aber es gibt keine Garantie, ob und wie schnell das klappt." Die Oberliga hingegen "wäre ein erster Schritt hin zum Profi-Eishockey. Aber das kommt auf die Finanzierbarkeit an, welche Leute da sind", sagt der 40-Jährige. "Das geht nicht von heute auf morgen." Bereits mitten in den Schicksalstagen befinden sich die SCR-Amateure. Sie besitzen noch geringe Chance auf die Aufstiegsrunde zur Bayernliga. "Ich
möchte an die Fans appellieren, sie zu unterstützen", sagt Heiß. Auch Peter Gailer habe Unterstützung signalisiert, mancher brachte gar ein Heiß'sches Comeback im Tor ins Gespräch. Er sollte mit einzelnen bisherigen Zweitliga-Spielern das Unternehmen Aufstieg schaffen. "Aber wenn nur noch ein Sepp Lehner da ist, bringt das nichts."
Joseph Heiß macht sich viele Gedanken um seinen Heimatverein. Das Aus weckt
gemischte Gefühle. "Für die Kinder, die spielen oder ins Stadion gegangen sind, ist es traurig", betont er. "Aber der Verstand sagt: Endlich ist diese unrühmliche Zeit vorbei. Das konnte so nicht weitergehen." Das Elend fand ein Ende.Silke Jandretzki
Steht dem SC Riessersee in diesen schweren Zeiten zur Seite: Peppi Hei