Das "Eishockey-Jahr 2006"

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Max
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Das "Eishockey-Jahr 2006"

Beitrag von Max »

Bandencheck: Die Hockeyweb-Kolumne von Alexander Brandt

Überall werden wir zurzeit mit Jahresrückblicken zugeschmissen, ich habe mir eine dieser Sendungen angesehen und mich gefragt, ob ich eigentlich im selben Land lebe wie die Durchschnitts-Deutschen. Die meisten in jener Sendung behandelten Themen waren mir überhaupt nicht als wichtig erschienen, von einigen hatte ich nicht einmal etwas mitbekommen. Für mich als Eishockey-Deutschen hatte das Jahr 2006 eben andere Höhepunkte als für den Normalbürger, der Xavier Naidoo hört und Jürgen Klinsmann für einen brillanten Rhetoriker hält. Bei mir haben sich andere Bilder und Emotionen ins Gedächtnis eingebrannt. Der Jahreszeit angemessen natürlich besinnlich-melancholisch. Also zündet die Kerzenstummel von gestern nochmal an und schiebt die "Weihnachten mit Bing Crosby"- CD nochmal rein, bitte erst danach weiterlesen.

Fertig? Okay: Zuerst erinnerte ich mich an die Play-offs und da vor allem das grandiose Halbfinale zwischen Düsseldorf und Köln. Fünf Hammer-Spiele, die einfach nur Spaß machten und alles boten, was diesen Sport so einzigartig macht. Dagegen fiel die Finalserie deutlich ab, weil die Eisbären einfach zu überlegen waren. Das soll ihren Erfolg nicht schmälern, wenn ein Team souverän Meister wird, haben alle anderen was falsch gemacht, nicht das Siegerteam.

Im April folgte das absolute Highlight des Jahres, die B-WM im wunderschönen Amiens. Dort gefiel mir neben dem sportlichen Erfolg besonders gut, wie hervorragend sich unsere Fans in Nordfrankreich verhalten haben. Wenn Israelis den Deutschen Beifall klatschen, wenn Franzosen aufstehen und applaudieren, dann ist das nach wie vor bemerkenswert. Fans sind im Ausland stets Botschafter ihres Landes und unser Land wurde in Amiens hervorragend repräsentiert. Das "Merci Amiens" klingt mir immer noch im Ohr.

Die Nationalmannschaft ist das Aushängeschild unseres Sports, mit dem alles steht und fällt. Uwe Krupp hat den Jungs den Spaß daran wieder gegeben und sie haben sich selbst wieder aus der Scheiße rausgezogen. Ein Marco Sturm reiste nach einer langen NHL-Saison an und präsentierte sich als Mannschaftsspieler, ein Stefan Ustorf krempelte die Ärmel hoch, um einen Karren aus dem Dreck zu ziehen, den er nicht in den Sumpf gefahren hatte. Und Wackel-Dackel Sascha Goc wurde zu DER Identifikationsfigur schlechthin im deutschen Eishockey.

In der Liga wurde uns dann wieder einmal schmerzlich bewusst, dass die DEL in den vergangenen Jahren zwar von Skandalen und Insolvenzen verschont wurde, aber weiterhin auf wirtschaftlich dünnem Eis steht. In Nürnberg gingen fast die Lichter aus, zum Glück bekamen die Ice Tigers einen reibungslosen Übergang hin. Ein großes Fragezeichen steht über dem Standort Duisburg, in Krefeld gab es böse Gerüchte, die sich zum Glück nicht bestätigten. Die Hälfte der DEL-Klubs ist auf Zuschüsse privater Investoren angewiesen, das geht auf Dauer nicht gut. Daher muss weiterhin aus der Not eine Tugend gemacht werden: Mehr Nachwuchsspieler einsetzen, die Ausgaben den Einnahmen angleichen und die Defizite verringern. Nur wer so vorgeht, hat eine sichere Zukunft.

Während wir alle daran arbeiten, dass Eishockey in Deutschland mehr Aufmerksamkeit erhält, profitieren wir auf der anderen Seite davon, dass wir eine überschaubare, fast schon familiäre Community haben. Die überwältigenden Aktionen für Robert Müller und jetzt auch für Ron Kennedy haben bewiesen, dass unsere Fans bei aller Rivalität nie den Blick für die richtigen Relationen verlieren. Robert Müller waren die vielen Genesungswünsche ja fast schon unangenehm. Von der Solidarität können sich die Fan-Kollegen vom Fußball eine dicke Scheibe abschneiden. Und meine Kollegen von manchen Massenmedien sollten vielleicht mal über so etwas berichten, statt vereinzelte Schlägereien aufzubauschen und dann mit dem moralischen Zeigefinger drauf zu zeigen.

In diesem Sinne wünsche ich allerseits frohe Weihnachten und einen guten Übergang in den Januar (das neue Jahr beginnt für uns bekanntlich nicht am 1. Januar, sondern am 1. August). Wir lesen uns 2007 an dieser Stelle wieder. Die Einen, um Spaß zu haben, die Anderen, um sich zu ärgern. Ich werde mich bemühen, beide Fraktionen weiterhin gleichermaßen zu bedienen.

Gruß vom rotnasigen Rentier Alexander Brandt

PS: Wie wäre es, zu Silvester mal keine Knaller zu kaufen und das Geld stattdessen an den lokalen Eishockey-Nachwuchs zu spenden?

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"Ein guter Kommentar teilt in der Mitte. Die eine Hälfte stimmt zu, die andere schüttelt den Kopf und sagt: Der hat sie wohl nicht alle."
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Alibert
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Re: Das "Eishockey-Jahr 2006"

Beitrag von Alibert »

Und meine Kollegen von manchen Massenmedien sollten vielleicht mal über so etwas berichten, statt vereinzelte Schlägereien aufzubauschen und dann mit dem moralischen Zeigefinger drauf zu zeigen.
Also, ich mag den Brandt ja immer mehr. Manchmal ists lustig, was er schreibt, und manchmal so punktgenau und offen. Das find ich echt gut. Und das, wo ich mit Hockeyweb auch schon einen argen Disput hatte. :lol:

Beim Brandt hat man bei seinem Schreibstil aber wirklich noch das Gefühl, das er ein richtiger Eishockeyfan zu sein scheint. Zumindest weiß er, was Eishockey vielen bedeutet. Nach dem Mund geschrieben wirkt das auch nicht, denn da tät er sich leichter, in den Streichelzoo DEL und Konsorten einzuhaken. Für mich journalistisch einer der wenigen positiven Lichtblicke im deutschen Eishockey. Bitte weiter so offen und direkt, Herr Brandt.Daumen Hoch!!!
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Max
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Re: Das "Eishockey-Jahr 2006"

Beitrag von Max »

Einfach geniale Ausführung von Herrn Brandt ;-) :lol:

Bandencheck: Die Hockeyweb-Kolumne von Alexander Brandt

In manchen Teilen Deutschlands beginnt wieder einmal die per Kalender verordnete künstliche Fröhlichkeit namens „Karneval“, die Narren sind los. In Eishockey-Deutschland kann man darüber nur müde lächeln, denn bekanntlich sind bei uns immer die Narren los, unser Karneval dauert von Anfang August bis Ostern. Dann ziehen sich die Menschen bunt an, trinken ganz viel Bier, singen mehr oder weniger sinnfreie Lieder und halten Büttenreden, in denen sie Kalauer zum Besten geben.
In der DEL gab es gerade in jüngster Zeit wieder einige solcher Reden, die unsere Oberschenkel vor lauter Draufklopfen rot und blau anliefen liessen.

Zum Beispiel Michael Hackert. Der wird von den Frankfurt Lions zu den Mannheimer Adlern wechseln, das ist allgemein bekannt. Trotzdem weigert sich Hackert, dies auch einzugestehen. Und er begründet das mit der Rivalität zwischen Frankfurt und Mannheim. Damit meint er wohl, die Frankfurter Fans wären wegen ihrer Rivalität mit Mannheim sauer, wenn Hackert nach Berlin oder Köln ginge, ja klar, ist doch logisch.

Tätä, tätä, tätääää!

Die Frankfurt Lions ließen ihrerseits durchblicken, sie hätten einen Nationalmannschaftsverteidiger von einem Top-Verein der DEL verpflichtet. Kurz darauf verkündete Lasse Kopitz, er werde die Kölner Haie verlassen. Wohin er geht, werde er nach der Saison bekannt geben.

Tätä, tätä, tätääää!

Franz Fritzmeier geht als Manager von Krefeld nach Duisburg, das pfiffen die Spatzen auch bereits seit Wochen von den Dächern. Nun hatte der arme Herr Fritzmeier aber das Pech, in einer Woche gleich zweimal von Premiere interviewt zu werden. Beim ersten Mal wies er die Meldung noch zurück, beim zweiten Mal hatte man es mittlerweile offiziell gemacht, da es eh schon jeder wusste. „Wir haben uns wirklich erst nach dem ersten Interview geeinigt“, sagte Fritzmeier, als er grinsend auf sein "Dementi" angesprochen wurde. :lol:

Tätä, tätä, tätääää!

Auch für die Intellektuellen gab es einen Kalauer vom Feinsten, unfreiwilliger Humor ist oft der schönste. Die DEL lehnte in der vergangenen Woche den Protest der DEG nach einem Regelverstoß des Schiedsrichters in der Begegnung bei den Krefeld Pinguinen mit der Begründung ab, man könne nicht voraussetzen „dass Krefeld das Spiel ohne den Regelverstoß mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in der regulären Spielzeit nicht gewonnen hätte.“

Da es keine Parallel-Universen gibt, in denen man das Spiel ohne diesen Regelverstoß nochmal stattfinden lassen könnte und auch Zeitmaschinen noch sehr unzuverlässig sind, wird man so etwas wohl in keinem einzigen Fall voraussetzen können. Es sei denn, der Regelverstoß erfolgt in der letzten Sekunde eines Spiels und beeinflusst dessen Ausgang maßgeblich, was extrem unwahrscheinlich ist. Also was soll dieser alberne Paragraph überhaupt? Der liest sich wie das Kleingedruckte in Versicherungspolicen, so nach dem Motto: „Ihr Gepäck ist nur versichert, wenn es in Fort Knox hinter einer drei Meter dicken Panzertür eingeschlossen wird und niemand den Code für das Schloss kennt, damit es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht gestohlen werden kann.“

Tätä, tätä, tätääää!

Schön ist auch immer wieder der unfreiwillige Humor der sogenannten „Experten“. So gab jener merkwürdige Kolumnist von Hockeyweb im vergangenen November vor dem Spiel Köln – Ingolstadt zum Besten, es werde „eine ganz enge Kiste, am Ende ein Tor Unterschied oder sogar Penaltyschiessen.“ Das Spiel endete 10:0. :lol:

Tätä, tätä, tätääää!

Gruß vom mit Marschmusik abgehenden Alexander Brandt
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Alibert
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Re: Das "Eishockey-Jahr 2006"

Beitrag von Alibert »

Zu geil der Abschnitt mit dem Parallel-Unviersen. :icon_mrgreen:
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