Quelle: www.eishockey.info
Hier dazu der Spiegelartikel vom 22.April 2008Schmutzige Overtime in den Medien
Kommentar zur Berichterstattung über den Fall Busch
Zu früh gefreut: Das Nachrichtenmagazin «DER SPIEGEL» hat keine redaktionelle Neuausrichtung beschlossen. Eishockey spielt auch künftig keine Rolle in der Berichterstattung des Hamburger Magazins. Der Artikel, den man am Dienstag auf der Startseite der Online-Ausgabe des SPIEGELs betrachten konnte, befasste sich nicht mit dem Sport sondern mit dem vermeintlichen «Doping-Fall» Busch. Vanity Fair lässt grüßen! Bravo, liebe Kollegen - so sieht großer Journalismus aus!
Die DEL-Saison geht in eine traurige Verlängerung. Nach der Ankündigung der Nationalen Anti Doping Agentur (NADA) den Fall Busch, den der DEB mit einer Verwarnung und einer Geldstrafe bereits zu den Akten gelegt hat, an die Internationale Doping Agentur in Montreal abzugeben, reißen sich die Medien - seltsamerweise vor allem jene, die sonst nicht oder nur selten über Eishockey berichten - um diese vermeintliche Story. Den Schaden hat die gesamte Sportart. Es steht zu befürchten, dass man an den Stammtischen in den Kneipen der Republik bald nicht mehr an Radsport denkt, wenn es um Doping geht, sondern an Eishockey! Dabei ist nichts passiert - wenn man sich nüchtern und dem Grundsatz «Im Zweifel für den Angeklagten» folgend, mit dem Fall befasst. Es tut in der Seele weh, jetzt in großen Medien, die sich dem «Qualitätsjournalismus» verpflichtet fühlen, solche Geschichten zu lesen.
So gesehen hat Florian Busch im März wirklich eine «Riesendummheit» begangen. Aber was einige Kollegen Journalisten daraus jetzt machen, ist eine noch viel größere Dummheit. Aber sie tun es ja wie einst Gabi, die Pfote, nur für die Quote.
Quelle: http://www.spiegel.de/sport/sonst/0,1518,548763,00.html
"In dieser Form noch nicht gekannt"
Von [email="[email protected]"]Frieder Pfeiffer[/email]
Wie viel Macht hat ein deutscher Sportverband? Im Streit zwischen dem Eishockey-Bund und der Nada im Fall Florian Busch zeigt sich, wie bindend der Doping-Code für urteilende Funktionäre wirklich ist. Diese wollten den Fall schnell vergessen - doch nun droht weit größerer Schaden.
Eigentlich sind es großartige Zeiten für das deutsche Eishockey. Die Finalspiele der Deutschen Eishockey Liga (DEL), die am vergangenen Sonntag mit dem Titelgewinn der Eisbären Berlin zu Ende gingen, waren so ausgeglichen, dass die Berliner ihre drei Siege gegen die Kölner Haie jeweils erst in den Schlusssekunden oder gar in der Verlängerung feiern konnten. So packend war das ultimative Duell einer Eishockey-Saison seit Einführung der Playoffs 1981 noch nie. So gut besucht auch nicht: 18.678 Zuschauer sahen das entscheidende Spiel in der KölnArena - Rekord im deutschen Eishockey. "Das war sensationell", schwärmte DEL-Chef Gernot Tripcke. Es sind großartige Zeiten. Eigentlich.
Denn für die Titelentscheidung sorgte ausgerechnet der Spieler, der zuvor mit einer, wie er es nannte, "Riesendummheit" die sportlichen Höhepunkte in den Hintergrund rückte. Florian Busch war in dieser Spielzeit 2007/2008 der letzte Profi, der das Spielgerät am Schläger hatte, der letzte, der den Puck erfolgreich in Richtung Tor drosch. Buschs Treffer zum 2:1 für Berlin in der Verlängerung beendete das Spiel, die Finalserie, die Saison. Aber er beendete nicht die Diskussionen darüber, wie autonom ein Verband in Dopingfragen urteilen, wie weit er sich vom allgemein anerkannten Anti-Doping-Code entfernen kann. Auslöser ist eine verweigerte Dopingkontrolle des Nationalspielers Busch von Anfang März. Damals lehnte der 23-Jährige gegenüber einem Kontrolleur der Nationalen Anti-Doping-Agentur (Nada), die das Dopingregelwerk in Deutschland versucht umzusetzen, die Urinprobe ab. Eine Essensverabredung mit der Freundin schien ihm wichtiger. Wenige Stunden später ließ er den Test doch noch durchführen - allerdings vom Deutschen Eishockey-Bund (DEB). Die Nada hatte zu diesem Zeitpunkt ihr Urteil schon gefällt.
"Die Regeln sind eindeutig", sagt Nada-Sprecherin Ulrike Spitz SPIEGEL ONLINE, "und das aus gutem Grund". Wer sich einer Kontrolle verweigere, müsse mit einer Mindestsperre von einem Jahr rechnen. "Wer keine Lust hat, hat ein Problem", ergänzt Jens Adolphsen, Sportrechtler an der Uni Gießen, im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. Spitz betont, dass selbst wenige Stunden ausreichen würden, "damit sich unerlaubte Mittel im Körper abbauen können". Sie widerspricht DEB-Vizepräsident Uwe Harnos, der erklärt hatte, dies wäre in wenigen Stunden nicht möglich. Genauso wenig wie die Manipulation des Urins. "15 Minuten reichen dafür", entgegnet Spitz nun. Und Mario Thevis, Professor am Institut für Biochemie der Deutschen Sporthochschule Köln, erklärt: "Rein hypothetisch wäre ein kompletter Austausch des Urins in dieser Zeit möglich." Beispielsweise, um die Blase zu katheterisieren und Fremdurin zuzuführen, so der Dopingexperte im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE.
Niemand will Eishockey-Profi Busch eine Manipulation vorwerfen. Die Beschwichtigungen der DEB-Funktionäre sind dennoch irritierend. Diese bestraften den Spieler lediglich mit einer Verwarnung. Busch muss 5000 Euro Geldstrafe zahlen und 56 Stunden gemeinnützige Arbeit ableisten. Nicht nur Haie-Geschäftsführer Thomas Eichin war im "Kölner Stadtanzeiger" der Meinung, dass dieser Fall "schädlich für das deutsche Eishockey" sei. Auch die Nada kann das Urteil nicht verstehen, ist aber machtlos. Die Bestrafung sei in Deutschland eben Verbandshoheit, sagt Spitz. Die meisten Verbände halten sich daran, der DEB tut es nicht. Das ist auch der Nada-Sprecherin neu. Manchmal müsste man Verbände an den Code erinnern, aber "in dieser Form kenne ich es noch nicht", sagt Spitz. Der Nada bleibt nun nur die Weitergabe der Materials an die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada).
Das hat sie getan und gleichzeitig klargestellt, "dass die Sanktionierung nicht den Regeln entspricht", so Spitz. Erst an diesem Dienstag bekam die Bonner Agentur die Urteilsbegründung des DEB - die Nada musste sich die Informationen in den Medien zusammensammeln. Die Wada wird nun entscheiden, ob sie vor den Internationalen Sportgerichtshof Cas zieht. Selbst der DEB geht von einer höchstinstanzlichen Entscheidung des Cas in Lausanne aus. "Ich rechne damit, dass es eine juristische Auseinandersetzung gibt", sagte Rechtsanwalt Harnos. "Die Chance, dass die DEB-Entscheidung da Bestand behält, sehe ich bei 50:50." Sollte sich der Cas am Welt-Anti-Doping-Code orientieren, sieht Nada-Sprecherin Spitz "keine andere Lösung", als dass Busch für mindestens ein Jahr gesperrt wird. Was dies für die abgelaufene Finalserie bedeutet, ob die unterlegenen Kölner das Ergebnis des Endspiels anfechten könnten, vermag sie nicht zu sagen. Rechtsprofessor Adolphsen sieht hingegen keine Gefahr für den Berliner Meistertitel: "Eine Sperre gilt erst ab Urteilsspruch." Und mit dem könne erst in ein paar Monaten gerechnet werden.
Busch für WM nominiert
So hat der Verband zunächst einmal Ruhe. Ruhe, die er mit dem ebenso schnellen wie gnädigen Urteil viel früher haben wollte. Das große "Ballyhoo" sei die Sache doch gar nicht wert, hieß es beim DEB. Tripcke formulierte es noch deutlicher: "Wer jetzt bei so einer tollen Finalserie den Fall Busch thematisiert, sollte nie mehr über Eishockey berichten", gab der DEL-Chef deftige Warnschüsse ab. Trotz aller Warnungen ist die Sache jedoch nicht ausgestanden. Neben allen möglichen juristischen Folgeerscheinungen bleibt ein seltsamer Beigeschmack.
Ab dem 2. Mai wird Busch im Kreis seiner Nationalmannschaftskollegen bei der WM in Kanada antreten. Bundestrainer Uwe Krupp hat Busch als einen von sechs Spielern des deutschen Vorzeigeclubs aus der Hauptstadt nominiert - trotz seines - wie Krupp sagt - "unklugen Verhaltens". Busch wird spielen, daran wird auch die Nada nichts ändern können.
Mit Material des sid