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Raufbold oder Prügelknabe, das ist bei Spylo die Frage
von Dino Reisner
Nürnberg - Der Mann sah rot. Das zweite Drittel des ersten Play-off-Viertelfinalduells zwischen den Nürnberg Ice Tigers und dem ERC Ingolstadt war gerade beendet, da sprang Adam Spylo von der Nürnberger Reservebank über die Bande auf die Eisfläche. Zuerst verprügelte er Cameron Mann, danach nahm er Samuel Groleau in den Schwitzkasten, und auch Linienrichter Adam Niejodek, der schlichten wollte, bekam einige Fausthiebe ab. Es folgte eine Massenschlägerei, insgesamt verhängte Schiedsrichter Heiko Dahle (Berlin) in der Partie, die Nürnberg mit 2:1 nach Penaltyschießen für sich entschied, 102 Strafminuten.
Unruhestifter Spylo kam mit vier Minuten glimpflich davon - wohl auch, weil Dahle wegen der aufgeheizten Atmosphäre in der Halle von einer Spieldauerdisziplinarstrafe absah, die den Ausschluss des Profis für diese Partie und das zweite Aufeinandertreffen heute in Ingolstadt bedeutet hätte. "Vier Strafminuten, ohne eine Sekunde gespielt zu haben", ereiferte sich Stefan Wagner, Ingolstadts Manager, "das ist reif für die Geschichtsbücher."
Spylo, in Kitchener/Ontario geborener Sohn einer Deutschen und eines Kanadiers, ist in der Branche einschlägig bekannt. Die San Jose Sharks aus der nordamerikanischen Profiliga sicherten sich 1997 die Rechte an dem bulligen Außenstürmer (1,86 m, 99 kg), sahen für ihn die Rolle eines so genannten Policeman vor, der die Stars vor körperlichen Übergriffen der Gegner schützen soll. Auf Grund seiner mangelnden spielerischen Fähigkeiten schaffte Spylo es allerdings nie in den Kader der Kalifornier, vergangene Saison spielte er in der viertklassigen UHL. Die Wölfe Freiburg, das Schlusslicht der DEL, holten den 25-Jährigen im Oktober nach Deutschland, lösten aber nur zwei Monate später den Vertrag wieder auf - Spylo hatte Trainer Valasek vor versammelter Mannschaft beschimpft und mit einer Trinkflasche nass gespritzt, weil er ausgewechselt worden war. In nur 20 DEL-Einsätzen für Freiburg und Nürnberg brachte es Spylo auf 136 Strafminuten.
Die Ingolstädter Verantwortlichen fürchten nun um die Gesundheit ihrer Spieler und fordern die DEL zum Durchgreifen auf. "Ich hätte nicht gedacht, dass es in der Liga noch Platz für solche Leute gibt", sagt Trainer Ron Kennedy. "Spieler wie ihn brauchen wir nicht, die machen nur den Sport kaputt. Die DEL-Geschäftsführung muss dringend eingreifen." Und Wagner erzählt: "Das Spiel war keine zehn Minuten alt, da hat er schon begonnen, uns von der Ersatzbank aus lautstark und unflätig zu beschimpfen."
Nürnbergs Klubführung vermutet indes eine Hetzjagd gegen ihren Profi: "Die Schiedsrichter werden schon nervös, wenn sie sehen, dass er auf dem Eis ist", sagt Trainer Greg Poss. "Eishockey ist nun mal ein harter Sport, wir spielen schließlich nicht Basketball." Auf dem Eis stand Spylo, der sich ebenfalls zu Unrecht verfolgt fühlt, wegen mangelnder Fitness zuletzt allerdings selten. Er sagt: "Ich spiele hart, aber nicht unfair. Und ich schlage niemanden von hinten. Ich habe das Gefühl, man hat mich herausgepickt, um mich bei jeder Gelegenheit vom Eis zu stellen."
Übrigens: Spylo gilt im Privatleben als umgänglicher Typ. Sein ehemaliger Klub in Kentucky schlug ihn einst für den "Yanick Dupre Memorial Award" vor. Der wird an Spieler vergeben, die sich besonders für wohltätige Zwecke engagieren.
Quelle:
http://www.welt.de/