Quelle: Wiener Zeitung vom 09.06.04
[size=18px]Falsche Angst vorm Hexenkessel . . [/size]
Die "Heimstärke" ist ein Sportmythos, erklärt ein Psychologe/ Von Martin Arnold
Ein fanatisches, begeistertes Publikum ist der zwölfte Mann der Heimmannschaft. Denken und glauben die Gegner. Und deren Trainer richten ihre Taktik danach aus. Und nur deshalb reisen sie oftmals als Verlierer nach Hause.
Der deutsche Sportpsychologe Bernd Strauss, Professor an der Universität Münster, räumt in seinem Buch "Wenn die Fans ihre Mannschaft zur Niederlage klatschen" mit der Illusion auf, das Heimpublikum könne seine Mannschaft mit lautstarker Unterstützung zu einem Sturmlauf und schließlich zum Sieg peitschen. "Davor müssen gegnerische Mannschaften keine Angst haben", sagt Bernd Strauss. "Wenn der FC Tirol die Meisterschaft gewinnt, hat sie das nicht dem Publikum zu verdanken."
Strauss muss es wissen.
Er untersuchte 10.000 Bundesligaspiele zwischen 1963 und 1995 und entdeckte Erstaunliches: Den Heimvorteil gibt es nicht - zumindest in den entscheidenden Spielen. Wenn ein Heimteam zu einem besonders wichtigen Spiel antritt, verliert es tendenziell sogar. Besonders dann, wenn der Gegner schwächer eingestuft wird und die Zuschauer mit der Erwartung eines Triumphes ins Stadion kommen. Strauss untersuchte dies bei Spielen mit deutlich überdurchschnittlichen Zuschauerzahlen. Die waren - so seine Annahme - von großer Bedeutung. Bestätigt wird dies von einer Untersuchung in der amerikanischen Baskettballliga. Bei den Playoffs, den Best of Seven, schneiden die Heimmannschaften im letzten Spiel, wo es um den totalen Triumph geht, schlechter ab als die Gastmannschaften.
Der Einfluss der Zuschauer auf die Leistung der Sportler ist ein breit untersuchtes Feld der Sportwissenschaft. Strauss' Ergebnisse werden gestützt durch eine Meta-Analyse von 241 Studien, die sich mit dem Thema befassten. Fazit: Der Einfluss der Zuschauer auf die Leistung der Sportler maximal beträgt zwischen 0,2 und 3 Prozent. Das mag ernüchternd klingen für manchen Supporter, der Woche für Woche aus vollster Kehle seinen Klub zum Sieg schreien will. Strauss befragte über 1.000 Zuschauer der "Baltic Hurricans", einer Footballmannschaft aus Kiel, über ihren Einfluss auf das Spielergebnis. Über 60 Prozent glaubten, dass sie dieses stark beeinflussen können - und über 50 Prozent versuchen dies auch zu tun. Auch die Sportler selber glauben an eine Beeinflussung durch die Zuschauer. 89 Prozent der befragten Basketballer gaben in einer amerikanischen Studie an, sich vom heimischen Publikum motiviert zu fühlen. 97 Prozent vermuten auch, dass sie dann besser spielen.
Sie haben nicht ganz unrecht. Die sportpsychologischen Untersuchungen ergaben nämlich, dass Anfeuern sehr wohl auf die Leistung der Sportler einen positiven Einfluss ausüben kann. Und zwar dort, wo Kraft, Ausdauer und Kondition gefragt sind, also beim Fahrradfahren oder bei der Leichtathletik beispielsweise. Wenn nur Koordination gefragt ist, bei Sportarten wie Golf, erzeugen die Zuschauer einen "choking under pressure": die Leistung nimmt ab.
Bei Mannschaftssportarten wie Fußball, Eishockey, Handball oder Basketball, wo Kraft, Kondition, Ausdauer und Koordination gefragt sind, verursachen die Zuschauer einen Anstrengungszuwachs, also eine höhere Herzfrequenz bei den Sportlern, aber auch Fehlpässe, frühzeitige, überhastete Abschlussversuche und eine schlechtere Qualität bei den technischen Fertigkeiten. Verschiedene Tests bestätigen das.
Einfache Aufgaben, die als Automatismus eingeübt werden können, lösen Sportler auch unter den Augen der Zuschauer problemlos. Je komplexer die Aufgabe wird, desto fehlerhaft die Leistung im Beisein von Zeugen. Niemand weiß das besser als die sogenannten Trainingsweltmeister, die ihre Leistung nicht umsetzen können, wenn es ernst wird. Bei Mannschaftssportarten heben sich positive und negative Einflüsse auf.
In einer Analyse sezierte Strauss verschiedene Spielzüge der "Baltic Hurricans" und verglich sie mit dem entsprechenden Zuschauerverhalten. Eine Leistungsverbesserung war nicht festzustellen. Eher reagieren die Zuschauer wie im Theater auf das Gebotene. Einzig zwei Verhaltensvarianten scheinen etwas Einfluss auf Spieler oder Teams zu haben. Wenn sich die Zuschauer aggressiv verhalten und Gegenstände auf das Spielfeld werfen, obszöne Gesten machen oder Spieler und Schiedsrichter beschimpfen, färbt dies nach Strauss' Erkenntnis negativ auf die Heimmannschaft ab - sie begeht mehr Regelverstöße. Auch extremer Hohn und Spott führt zu Leistungsabfall, denn dessen Ziel ist ja die Verunsicherung eines Spielers durch Herabwürdigung.
Fazit: Die statistisch belegbare Heimstärke der meisten Mannschaften lässt sich auf die zu vorsichtige Taktik des Gegners zurück führen, möglicherweise auf den Schiedsrichter - oder auf das Vertrauen auf die vermeintliche Heimstärke beziehungsweise an den Glauben der Auswärtsschwäche des Gegners. Diese Selbstprophezeihungen haben nach Meinung des Sportpsychologen Strauss einen weit größeren Einfluss auf ein Spielergebnis als die Zuschauer.
Bernd Strauss: Wenn die Fans ihre Mannschaft zur Niederlage klatschen: Pabst-Verlag, Lengerich. ISBN Nr.: 3934252257.
Mal was für die Stimmungsfanatiker
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Mal was für die Stimmungsfanatiker
Zumindest wissen wir jetzt warum die Panther, wenn viele Zuschauer im Stadion sind, meistens verlieren.
Vorletzte Saison muß die Stimmung ziemlich gut gewesen sein, das konnte ich alles erkennen. In diesem Jahr traf das nur auf unsere Defensivabteilung und Torhüter zu.Bei Mannschaftssportarten wie Fußball, Eishockey, Handball oder Basketball, wo Kraft, Kondition, Ausdauer und Koordination gefragt sind, verursachen die Zuschauer einen Anstrengungszuwachs, also eine höhere Herzfrequenz bei den Sportlern, aber auch Fehlpässe, frühzeitige, überhastete Abschlussversuche und eine schlechtere Qualität bei den technischen Fertigkeiten.