Vorab eines: Ich bezeichne mich als religiös, jedoch nicht theistisch und nicht (mehr) christlich. Ich bin an religiösen Dingen interessiert und finde das "Opium fürs Volk" nicht so schlecht, wenn es hilft, den Menschen besser leben und leichter sterben zu lassen.
Die Amtszeit des Papstes bringe ich auf den Nenner: Ein kleiner Schritt für die Menschheit und ein Rückschritt für die katholische Kirche, auch wenn es oberflächlich nicht so aussieht. Trotz vieler Vorteile gegenüber seinen Vorgängern ist die Zeit für einen neuen Papst dringend geboten (keine Diskussion darüber, ob die Institution des Papstes überhaupt sinnvoll ist. Wir können das nicht ändern).
Meine Mutter war eine Anhängerin von Johannes XXIII und ich wuchs mit dem knöchernen und überheblichen Paul VI auf. Dann kam Johannes Paul I und irgendwie hatten den alle lieb. Es geht vordergründig nämlich nicht um Reformen oder Weltoffenheit, sondern einzig und allein um Sympathie. Nach 33 Tagen war Schluß. Über die Gründe mag jeder seine eigene Meinung haben. Tatsache ist, dass John Paul I finanzielle Ungereimtheiten aufdeckte und innerhalb des Vatikan nicht unumstritten war. Allerdings war er auch gesundheitlich angeschlagen. Interessenten empfehle ich das Buch "Im Namen Gottes", das die Mordtheorien unterstützt.
Dann also Johannes Paul II. Bei dem hatte ich 1978 eine Privataudienz und muss sagen, dass er schon eine enorme Ausstrahlung hatte. Privataudienz heißt übrigens ca. 500 Menschen. Mitte der Achtziger gingen dann die Kirche und ich getrennte Wege und ich ließ eigentlich keine Gelegenheit aus, die Institution Kirche zu beschimpfen und den Vatikan als größte legale Mafia zu bezeichnen (mache ich noch heute). Aber irgendwie habe ich Anfang der 90er die Kurve gekriegt und meinen Frieden mit dem Christentum geschlossen. In Augsburg habe ich den Papst natürlich nicht besucht. Und irgendwie konnte ich aus der Distanz mehr verstehen.
Dieser Papst war der erste Popstar, was nicht zuletzt an den Medien und seiner Reiselust liegt.
Grundsätzlich war er weltoffen. Er war der erste Papst, der eine Moschee besuchte, er traf sich mit dem Dalai Lama besuchte Hindutempel, Synagogen und trug maßgeblich zum Ende des Kommunismus in Osteuropa bei. Er war bei der Jugend beliebt wie keiner vor ihm und er bezog Stellung zum Weltfrieden. Er befreite die Rolle des Pontifex vom Pomp und gab ihr eine bedeutend menschlichere Note. Allerdings waren die Zugeständnisse an die Zeichen der Zeit eher spärlich. Im Gegensatz zu Skopintsev bin ich jedoch der Meinung, dass er die Ökumene sehr wohl förderte. Er suchte den Dialog, jedoch ohne auf die anderen Religionen zuzugehen.
Man konnte aber beobachten, wie er während seines Pontifikats immer konservativer wurde. Seine Marienverehrung ging ins Unermessliche und sorgte dort nicht unbedingt für Annäherung mit den Protestanten. Ich bin immer noch der Meinung, dass man ohne zu Knattern nicht schwanger werden kann. Auch damals nicht. Seine Sozial- Und Sexualmoral war maßgeblich dafür verantwortlich, dass die Kirche in den verganegen Jahren unter heftigem Mitgliederschwund litt. Hier gab es keine Annäherung an die Zeit (nicht den Zeitgeist) und Wojtyla hatte null Auge für die Realität. AIDS wurde ebenso ignoriert wie die Überbevölkerung. Kondome sind Sünde und Krankheiten die Strafe. Natürlich nicht für die Kondome, dafür gibt es ja andere Strafen. Hier muss man den Absatz von Skopintsev wirklich übernehmen, auch wenn die Ausdrucksweise eine andere ist.
Hungern hat den Vorteil, daß man als Neger offen ist auf das Leben nach dem Tode - im Gegensatz zu den konsumgeilen Bürgern in den kapitalistischen Zentren! Und Kinder kriegen ist deshalb auch nicht verkehrt. Je mehr Getaufte, desto besser für die Kirche und ihre Sorte Armutsbetreuung - ihr Verweis auf den Herrn im Himmel, der alles richten wird.
Da hat er schon recht.
Die Enzyklika "Ecclesia de Eucharistia" gilt als sein Lebenswerk. Sein "Nein" zum gemeinsamen Abendmahl machte alle vorherigen Versuche zur Ökumene mit einem Schlag wieder kaputt.
Wojtyla war ein Papst, der nicht reine Marionette des Vatikan war, sondern seine "Richtlinienkompetenz" schon einzusetzen vermochte, aber genau damit hat er der katholischen Kirche einen Bärendienst erwiesen.
Wen man sich die gehandelten Kardinäle für eine Nachfolge ansieht, so kann eigentlich nur Angelo Scola etwas bewegen. Der weltoffene Italiener könnte eine Chance für die katholische Kirche sein. Alle anderen Kandidaten (zumindest die bekannten) wären genau das, was der Vatikan will und die Kirche nicht braucht. Und Joseph Ratzinger wäre die größte Katastrophe unter ihnen. Das Konklave lässt leider keine Try Out Verträge zu.
@Manne: Sorry wegen der hohen Anzahl von Buchstaben
