Jaja, letzte Woche gab es keinen Bandencheck. Möglicherweise wurde über die Gründe spekuliert. "Der Brandt ist doch hoffentlich nicht krank?", mögen die Einen gedacht haben, "ist der Penner endlich verreckt?" die Anderen. Weder noch, liebe Freunde, ich war in Sachen Eishockey unterwegs. Erst in Nürnberg beim Mercure-Cup, dann in Lugano, wo ebenfalls ein hochkarätig besetztes Turnier stattfand. Die Reise bot sich geradezu an, schließlich liegt Nürnberg auf dem Weg nach Lugano. Nürnberg liegt in Bayern, also im Süden. Lugano liegt in der Schweiz, also auch im Süden. Ergo: Nürnberg liegt auf dem Weg nach Lugano! Was lag näher, als beide Fahrten zu verbinden?
Beim Mercure Cup spielten Nürnberg, Köln, Mannheim und Serviette Genf. Die Spiele waren für Sommer-Hockey schon erstaunlich intensiv, vor allem die mit Nürnberger Beteiligung, was irgendwie mit Tomas Martinec zusammen hängt. Für mich ist Martinec der Pechvogel der Eishockey-Nation schlechthin. Wo immer er auf dem Eis auftaucht, gibt es Stress vorm Tor, Fouls oder Schlägereien. Immer scheint er zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein und gerät in Schwierigkeiten. Das kann doch kein Zufall sein... es muss sich hier einfach um Schicksal handeln. Der arme Kerl.
Während Köln das Turnier gewann, konnte man auf der Nürnberger Pressetribüne allerlei Gerüchte vernehmen. So soll Mannheim für seine beiden neuen Verteidiger Dykhuis und Hedin eine glatte Million für die Saison hingelegt haben. Ob es stimmt, wer weiß.... Mannheim dementierte die Summe natürlich, aber das hätten sie auch getan, wenn es wahr wäre. Dementis sind genau deswegen unglaubwürdig.
Das Wetter am schönen Nürnberger Dutzendteich (heißt so, obwohl es nur einer ist) war grandios, so ergaben sich neben dem Eishockey weitere Möglichkeiten zur Gestaltung der Freizeit. Unsereiner machte gemeinsam mit drei Eishockey-Journalisten und dem Pressesprecher eines DEL-Vereins das Nürnberger Volksfest unsicher. Zunächst bestiegen wir Autoscooter und checkten alles weg, was sich uns in den Weg stellte, Kollegen inklusive. Familienväter mussten anschließend ihre völlig verstörten, schleudertraumatisierten Kinder beruhigen, die Stadt Nürnberg stellte spontan Psychologen zur Verfügung. Zu dem Zeitpunkt belagerten wir längst das Schiffsrennen, dort musste man Punkte sammeln, indem man Bälle in Löchern versenkte. Für jeden Punkt wanderte ein Schiffchen vorwärts, bis einer gewonnen hatte. Wir gewannen fast jedes Rennen, besagter Pressesprecher erwies sich dabei als Meister seines Fachs. Fahrendes Volk halt, diese Eishockey-Leute. Die kennen sich mit sowas aus. Ich gewann immerhin ein Rennen und durfte als Trophäe einen beleuchteten Stanley-Cup mit nach Hause nehmen. Im Volksmund wird das Ding auch "Taschenlampe" genannt. Außerdem gewann ich noch einen Trostpreis beim Torwandschiessen, als ich einen von drei Versuchen versenkte. Auf der Torwand war Olli Kahn abgebildet und meine Fehlversuche landeten dort, wo sie dem echten Olli sehr weh getan hätten.
Dann ging es weiter nach Lugano, Unterkunft direkt am See, bellissimo! Ich erhielt eine SMS "wie isses da unten?" und schrieb zurück: "Furchtbar! Keine Wolke am Himmel und das Wasser im Pool ist zu kalt!" Lugano liegt in Ticino (Tessin), italienische Schweiz. Und genau die Mischung aus Schweiz und Italien macht es so attraktiv. Dort treffen alpine und mediterrane Vegatation aufeinander, Palmen treffen auf Tannenbäume, Eidechsen auf Eidgenossen. Der Straßenverkehr verläuft schweizerisch-diszipliniert, die Frauen sind italienisch-temperamentvoll. Besser als umgekehrt, gelle? Die Stadt Lugano schmiegt sich elegant an den Luganer See auf der einen, die Berge auf der anderen Seite. Die Innenstadt ist von exklusiven Geschäften und ebensolchen Damen geprägt (wieso labere ich eigentlich dauernd über Frauen?), man kommt überhaupt nicht auf die Idee, dass gerade hier der sechsfache Schweizer Meister zuhause sein könnte. Dennoch ist Lugano ein fast schon umstrittener Eishockey-Standort, wegen seiner rabiaten Fans. Und tatsächlich, vor dem Spiel der Luganesi gegen den Erzrivalen Ambri-Piotta sah ich Polizisten, die sich ohne Übertreibung schusssichere Westen anlegten! Scheint allgemein ein gefährliches Pflaster zu sein, da unten. Die dortige Fluggesellschaft trägt den Namen "Darwin Airline"! Darwin? Wie soll man das verstehen? Nur die fittesten Fluggäste überleben? "Hey Sie da - 10 Kilo Übergewicht und Null Kondition, dass könnte knapp werden!"
Wie auch immer, Lugano ist der perfekte Urlaubsort. Schöne Landschaft, mildes Klima, super Bademöglichkeiten und abends Eishockey - mehr kann kein Mensch wollen. Und das Eishockey ist zudem noch grandios - Tempo, tolle Pässe und super Kombinationen, ohne dieses dämliche Halten und Grabschen wie in der DEL. Ich durfte mal wieder meinen Lieblingsspieler Petteri Nummelin bewundern. Was der draufhat, ist einfach eine Augenweide. Technisch perfekt und alles was er tut hat Hand und Fuß. Möglicherweise habe ich in der DEL aber auch bald einen Lieblingsspieler, falls sich Philip Gogulla von den Kölner Haien so weiter entwickelt wie bisher und ihn sein Trainer auch dann neben den Stars einsetzt, wenn die Mannschaft komplett ist. Der Junge erinnert mich an Harald Birk: Schlaksig, wendig, frech und der Puck scheint an seinem Schläger zu kleben. Hoffentlich holt Buffalo den Gogulla nicht allzu bald in die NHL, damit wir noch was von ihm haben.
Ein Satz noch zum Turnier in Lugano (oder zwei oder drei): Im Halbfinale spielten die Haie gegen Lugano und die Eisbären gegen Ambri. Beide DEL-Teams mit je zwei deutschen Torhütern und kaum einem halben Dutzend Ausländern pro Mannschaft. Und beide Teams waren absolut gleichwertig mit den Schweizern. Vor ein paar Jahren hätten wir mit einer derartigen Konstellation noch die Hucke voll gekriegt. Das hat Spaß gemacht, den jungen Wilden beider Teams zuzuschauen! Sowas gibt Hoffnung in Sachen Nationalmannschaft, Aufstieg, etc.
So, und nun bin ich nach acht Stunden Autofahrt und 42 gezählten Tunneln wieder zuhause und es ist Montag und ich brauche ein Thema für den Bandencheck. Leider habe ich da unten nichts von den Geschehnissen in Eishockey-Deutschland mitbekommen und muss erstmal die Hockeyweb-Artikel der vergangenen Woche nachlesen. Interessant, wieviele DEL-Klubs sich schon wieder in der ersten Runde des Pokal-Wettbewerbs entledigt haben...
Ansonsten beginnt am Donnerstag die neue Saison und die DEL wird nicht lange brauchen, um wieder viele Geschichten zum Kopfschütteln und Haare raufen zu liefern, wetten? Und genau darum geht es doch beim Bandencheck: Um den zum Scheitern verurteilten Versuch, die Geschehnisse in Eishockey-Deutschland mit gesundem Menschenverstand in Einklang zu bringen... kann nicht funktionieren, ich weiß....zumal jeder "gesunden Menschenverstand" anders definiert. Aber ich versuche es weiter, okay?
Gruß vom Möchtegern-Eishockeyversteher Alexander Brandt
Quelle: hockeyweb.de