Das "Eishockey-Jahr 2006"
Verfasst: 18.12.2006 22:11
Bandencheck: Die Hockeyweb-Kolumne von Alexander Brandt
Überall werden wir zurzeit mit Jahresrückblicken zugeschmissen, ich habe mir eine dieser Sendungen angesehen und mich gefragt, ob ich eigentlich im selben Land lebe wie die Durchschnitts-Deutschen. Die meisten in jener Sendung behandelten Themen waren mir überhaupt nicht als wichtig erschienen, von einigen hatte ich nicht einmal etwas mitbekommen. Für mich als Eishockey-Deutschen hatte das Jahr 2006 eben andere Höhepunkte als für den Normalbürger, der Xavier Naidoo hört und Jürgen Klinsmann für einen brillanten Rhetoriker hält. Bei mir haben sich andere Bilder und Emotionen ins Gedächtnis eingebrannt. Der Jahreszeit angemessen natürlich besinnlich-melancholisch. Also zündet die Kerzenstummel von gestern nochmal an und schiebt die "Weihnachten mit Bing Crosby"- CD nochmal rein, bitte erst danach weiterlesen.
Fertig? Okay: Zuerst erinnerte ich mich an die Play-offs und da vor allem das grandiose Halbfinale zwischen Düsseldorf und Köln. Fünf Hammer-Spiele, die einfach nur Spaß machten und alles boten, was diesen Sport so einzigartig macht. Dagegen fiel die Finalserie deutlich ab, weil die Eisbären einfach zu überlegen waren. Das soll ihren Erfolg nicht schmälern, wenn ein Team souverän Meister wird, haben alle anderen was falsch gemacht, nicht das Siegerteam.
Im April folgte das absolute Highlight des Jahres, die B-WM im wunderschönen Amiens. Dort gefiel mir neben dem sportlichen Erfolg besonders gut, wie hervorragend sich unsere Fans in Nordfrankreich verhalten haben. Wenn Israelis den Deutschen Beifall klatschen, wenn Franzosen aufstehen und applaudieren, dann ist das nach wie vor bemerkenswert. Fans sind im Ausland stets Botschafter ihres Landes und unser Land wurde in Amiens hervorragend repräsentiert. Das "Merci Amiens" klingt mir immer noch im Ohr.
Die Nationalmannschaft ist das Aushängeschild unseres Sports, mit dem alles steht und fällt. Uwe Krupp hat den Jungs den Spaß daran wieder gegeben und sie haben sich selbst wieder aus der Scheiße rausgezogen. Ein Marco Sturm reiste nach einer langen NHL-Saison an und präsentierte sich als Mannschaftsspieler, ein Stefan Ustorf krempelte die Ärmel hoch, um einen Karren aus dem Dreck zu ziehen, den er nicht in den Sumpf gefahren hatte. Und Wackel-Dackel Sascha Goc wurde zu DER Identifikationsfigur schlechthin im deutschen Eishockey.
In der Liga wurde uns dann wieder einmal schmerzlich bewusst, dass die DEL in den vergangenen Jahren zwar von Skandalen und Insolvenzen verschont wurde, aber weiterhin auf wirtschaftlich dünnem Eis steht. In Nürnberg gingen fast die Lichter aus, zum Glück bekamen die Ice Tigers einen reibungslosen Übergang hin. Ein großes Fragezeichen steht über dem Standort Duisburg, in Krefeld gab es böse Gerüchte, die sich zum Glück nicht bestätigten. Die Hälfte der DEL-Klubs ist auf Zuschüsse privater Investoren angewiesen, das geht auf Dauer nicht gut. Daher muss weiterhin aus der Not eine Tugend gemacht werden: Mehr Nachwuchsspieler einsetzen, die Ausgaben den Einnahmen angleichen und die Defizite verringern. Nur wer so vorgeht, hat eine sichere Zukunft.
Während wir alle daran arbeiten, dass Eishockey in Deutschland mehr Aufmerksamkeit erhält, profitieren wir auf der anderen Seite davon, dass wir eine überschaubare, fast schon familiäre Community haben. Die überwältigenden Aktionen für Robert Müller und jetzt auch für Ron Kennedy haben bewiesen, dass unsere Fans bei aller Rivalität nie den Blick für die richtigen Relationen verlieren. Robert Müller waren die vielen Genesungswünsche ja fast schon unangenehm. Von der Solidarität können sich die Fan-Kollegen vom Fußball eine dicke Scheibe abschneiden. Und meine Kollegen von manchen Massenmedien sollten vielleicht mal über so etwas berichten, statt vereinzelte Schlägereien aufzubauschen und dann mit dem moralischen Zeigefinger drauf zu zeigen.
In diesem Sinne wünsche ich allerseits frohe Weihnachten und einen guten Übergang in den Januar (das neue Jahr beginnt für uns bekanntlich nicht am 1. Januar, sondern am 1. August). Wir lesen uns 2007 an dieser Stelle wieder. Die Einen, um Spaß zu haben, die Anderen, um sich zu ärgern. Ich werde mich bemühen, beide Fraktionen weiterhin gleichermaßen zu bedienen.
Gruß vom rotnasigen Rentier Alexander Brandt
PS: Wie wäre es, zu Silvester mal keine Knaller zu kaufen und das Geld stattdessen an den lokalen Eishockey-Nachwuchs zu spenden?
http://www.hockeyweb.de
Überall werden wir zurzeit mit Jahresrückblicken zugeschmissen, ich habe mir eine dieser Sendungen angesehen und mich gefragt, ob ich eigentlich im selben Land lebe wie die Durchschnitts-Deutschen. Die meisten in jener Sendung behandelten Themen waren mir überhaupt nicht als wichtig erschienen, von einigen hatte ich nicht einmal etwas mitbekommen. Für mich als Eishockey-Deutschen hatte das Jahr 2006 eben andere Höhepunkte als für den Normalbürger, der Xavier Naidoo hört und Jürgen Klinsmann für einen brillanten Rhetoriker hält. Bei mir haben sich andere Bilder und Emotionen ins Gedächtnis eingebrannt. Der Jahreszeit angemessen natürlich besinnlich-melancholisch. Also zündet die Kerzenstummel von gestern nochmal an und schiebt die "Weihnachten mit Bing Crosby"- CD nochmal rein, bitte erst danach weiterlesen.
Fertig? Okay: Zuerst erinnerte ich mich an die Play-offs und da vor allem das grandiose Halbfinale zwischen Düsseldorf und Köln. Fünf Hammer-Spiele, die einfach nur Spaß machten und alles boten, was diesen Sport so einzigartig macht. Dagegen fiel die Finalserie deutlich ab, weil die Eisbären einfach zu überlegen waren. Das soll ihren Erfolg nicht schmälern, wenn ein Team souverän Meister wird, haben alle anderen was falsch gemacht, nicht das Siegerteam.
Im April folgte das absolute Highlight des Jahres, die B-WM im wunderschönen Amiens. Dort gefiel mir neben dem sportlichen Erfolg besonders gut, wie hervorragend sich unsere Fans in Nordfrankreich verhalten haben. Wenn Israelis den Deutschen Beifall klatschen, wenn Franzosen aufstehen und applaudieren, dann ist das nach wie vor bemerkenswert. Fans sind im Ausland stets Botschafter ihres Landes und unser Land wurde in Amiens hervorragend repräsentiert. Das "Merci Amiens" klingt mir immer noch im Ohr.
Die Nationalmannschaft ist das Aushängeschild unseres Sports, mit dem alles steht und fällt. Uwe Krupp hat den Jungs den Spaß daran wieder gegeben und sie haben sich selbst wieder aus der Scheiße rausgezogen. Ein Marco Sturm reiste nach einer langen NHL-Saison an und präsentierte sich als Mannschaftsspieler, ein Stefan Ustorf krempelte die Ärmel hoch, um einen Karren aus dem Dreck zu ziehen, den er nicht in den Sumpf gefahren hatte. Und Wackel-Dackel Sascha Goc wurde zu DER Identifikationsfigur schlechthin im deutschen Eishockey.
In der Liga wurde uns dann wieder einmal schmerzlich bewusst, dass die DEL in den vergangenen Jahren zwar von Skandalen und Insolvenzen verschont wurde, aber weiterhin auf wirtschaftlich dünnem Eis steht. In Nürnberg gingen fast die Lichter aus, zum Glück bekamen die Ice Tigers einen reibungslosen Übergang hin. Ein großes Fragezeichen steht über dem Standort Duisburg, in Krefeld gab es böse Gerüchte, die sich zum Glück nicht bestätigten. Die Hälfte der DEL-Klubs ist auf Zuschüsse privater Investoren angewiesen, das geht auf Dauer nicht gut. Daher muss weiterhin aus der Not eine Tugend gemacht werden: Mehr Nachwuchsspieler einsetzen, die Ausgaben den Einnahmen angleichen und die Defizite verringern. Nur wer so vorgeht, hat eine sichere Zukunft.
Während wir alle daran arbeiten, dass Eishockey in Deutschland mehr Aufmerksamkeit erhält, profitieren wir auf der anderen Seite davon, dass wir eine überschaubare, fast schon familiäre Community haben. Die überwältigenden Aktionen für Robert Müller und jetzt auch für Ron Kennedy haben bewiesen, dass unsere Fans bei aller Rivalität nie den Blick für die richtigen Relationen verlieren. Robert Müller waren die vielen Genesungswünsche ja fast schon unangenehm. Von der Solidarität können sich die Fan-Kollegen vom Fußball eine dicke Scheibe abschneiden. Und meine Kollegen von manchen Massenmedien sollten vielleicht mal über so etwas berichten, statt vereinzelte Schlägereien aufzubauschen und dann mit dem moralischen Zeigefinger drauf zu zeigen.
In diesem Sinne wünsche ich allerseits frohe Weihnachten und einen guten Übergang in den Januar (das neue Jahr beginnt für uns bekanntlich nicht am 1. Januar, sondern am 1. August). Wir lesen uns 2007 an dieser Stelle wieder. Die Einen, um Spaß zu haben, die Anderen, um sich zu ärgern. Ich werde mich bemühen, beide Fraktionen weiterhin gleichermaßen zu bedienen.
Gruß vom rotnasigen Rentier Alexander Brandt
PS: Wie wäre es, zu Silvester mal keine Knaller zu kaufen und das Geld stattdessen an den lokalen Eishockey-Nachwuchs zu spenden?
http://www.hockeyweb.de