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Der Jesus-Film
Die Wirklichkeit war noch blutiger
Der Film ist erbarmungslos. Zwei Stunden lässt er die Zuschauer Zeuge der Folterung und Hinrichtung eines Menschen werden. In Amerika, wo Mel Gibsons Film über die letzten zwölf Stunden im Leben Christi bereits Aschermittwoch anlief, reagierten die Zuschauer mit allen Gefühlen, die Menschen im Angesicht solcher Szenen haben können: Sie liefen entsetzt aus dem Kino, manche saßen wie versteinert in ihren Sitzen, andere waren unendlich traurig und weinten, wieder andere fühlten sich durchströmt von religiösen Gefühlen.
Der Vorwurf an Regisseur Mel Gibson: Er betone unnötig und einseitig die Schuld der Juden
Obwohl Mel Gibsons neues Kino-Epos reines Kassengift sein müsste – unbekannte Schauspieler, Dialoge in Latein und Aramäisch, Untertitel in Landessprache –, bricht der Film alle Rekorde: In 13 Tagen spielte er 219 Millionen Dollar ein. Und das, obwohl er sich gegen den Vorwurf wehren muss, er sei antisemitisch und verherrliche Gewalt.
Direkte judenfeindliche Tendenzen haben die Evangelische Kirche (EKD) und die Katholische Bischofskonferenz nicht ausmachen können. „Aber die massiven Gewaltszenen könnten vielleicht doch indirekt eine negative Auswirkung auf die Menschen haben“, befürchtet Karl Kardinal Lehmann. Die EKD bemängelt, dass dem Film theologische Tiefe fehle, um die Brutalität auszugleichen. Das Gewaltmaß sei für unter 16-Jährige unerträglich, findet der Vorsitzende der Freiwilligen Selbstkontrolle (FKS), Folker Höge. Der Fim ist deshalb erst ab 16 freigegeben.
War die damalige Zeit so grausam, wie Mel Gibson sie darstellt? Was geschah wirklich auf dem Weg vom Garten Gethsemane zum Berg Golgatha?
BamS hat gegenüber gestellt, wie die Bibel die wichtigsten Szenen beschreibt, was der Glaube dazu sagt und was die Wissenschaft heute über den Kreuzgang Christi weiß.
„Ich glaube, wir haben uns zu sehr an hübsche Kruzifixe an der Wand gewöhnt und haben vergessen, was wirklich passiert ist“ (Mel Gibson)
Die moderne Zeit sieht Jesus am liebsten als sanftmütigen Hirten. Aber er war auch ein zäher, harter Kämpfer, ein unglaublich mutiger und tapferer Mann, der sich für seine göttliche Mission grausam foltern und qualvoll umbringen ließ. Mel Gibsons Film zeigt diesen Teil der Heilsgeschichte in schockierender Deutlichkeit. Nicht nur Christen fragen sich: War das wirklich so? Bibel-Experten, Theologen und Historiker antworten.
Bibel: Der Evangelist Lukas berichtet über die Nacht der Verhaftung im Garten Gethsemane: „Und es kam, dass er mit dem Tode rang, und er betete heftiger. Es ward sein Schweiß wie Blutstropfen, die fielen auf die Erde.“
Glaube: Jesus war zwar Gottes Sohn, fühlte und litt aber wie ein Mensch, denn nur so konnte er die Menschheit erlösen. Im Film bezweifelt Satan gleich zu Beginn, dass Jesus so viel Schmerz ertragen könne, um alle Sünden der Menschen abzugelten.
Forschung: Gethsemane gibt es wirklich. Damals gehörte der Garten zu einem Betrieb, der Olivenöl produzierte. Der Leipziger Theologe Gerhard Kroll: „Acht
Ölbäume aus der Zeit Jesu stehen dort bis heute.“
Warum wurde Jesus nach seiner Verhaftung so brutal behandelt?
Bibel: Evangelist Markus sagt über die Knechte des jüdischen Hohepriesters: „Sie schlugen ihn ins Angesicht.“ Der Hass der religiösen Machthaber auf den populären Prediger, der ihre Autorität bedrohte, war so groß wie die Angst, durch ihn die Einkünfte aus dem Tempel zu verlieren.
Glaube: Es sollten sich all jene Prophezeiungen erfüllen, die Jesu Kommen lange angekündigt hatten. Der Prophet Jesaja etwa sagte schon 700 Jahre zuvor, der Erlöser werde „verachtet“ und „misshandelt“ werden.
Forschung: Zur Zeit Jesu rangen die Pharisäer mit anderen jüdischen Sekten um die Vorherrschaft und gingen mit ihren Gegnern zur Abschreckung besonders grausam um.
Wie wurde Jesus gefoltert?
Bibel: Der römische Gouverneur Pilatus ließ Jesus geißeln. Seine Legionäre drückten ihm eine Dornenkrone aufs Haupt.
Glaube: Im „Rosenkranz“, den Christen beten, zählen Geißelung und Dornenkrone zu den „Fünf schmerzensreichen Geheimnissen“. Sie versinnbildlichen, wie sehr Gott unter den Sünden der Menschen litt. Vatikan-Theologe Joseph Augustine Di Noia: „Jeder, der diesen Film sieht, muss sich mit dem zentralen Geheimnis des Leidens Christi und des Christentums auseinander setzen: Wenn dies das Heilmittel ist, welches muss dann der Schaden gewesen sein?“
Forschung: Der Wuppertaler Bibel-Experte Fritz Rienecker: „Die römische Geißel bestand aus Lederriemen, in die Knochen oder Bleistückchen eingeflochten waren“ – sie rissen klaffende Wunden. Der Leipziger Theologe Kroll: „Mit welcher Erbarmungslosigkeit die Legionäre ihr Opfer zusammenschlugen, zeigt die Tatsache, dass Jesus nicht mehr fähig war, den Kreuzesbalken selbst zu tragen.“ Die Dornenkrone wurde wohl aus den Zweigen des überall wuchernden Becherkrauts geflochten, das als Brennmaterial diente. Kroll: „Nicht unwahrscheinlich, dass die Legionäre die Dornen für die Krönung im Heizkeller ihrer Kaserne fanden.“
Warum wurde Jesus an einem Kreuz hingerichtet?
Bibel: Nach den Evangelien forderten die Hohepriester und die von ihnen aufgeputschte Menge den römischen Statthalter Pilatus auf: „Kreuzige ihn!“ Es war die damals gebräuchliche römische Hinrichtungsart.
Glaube: An einem Baum des Paradieses lockte Satan als Schlange die Menschen in die Sünde – am Holz eines Baums sollte Jesus die Menschen von der Sünde erlösen.
Forschung: Bibel-Experte Kroll über mikroskopische Untersuchungen an einem Kreuzesnagel: „Die an der umgebogenen Spitze haftenden Holzreste erwiesen sich als Olivenholz.“
Wie groß und schwer war das Kreuz?
Bibel: So schwer, dass Jesus dreimal stürzte.
Glaube: Das Kreuz symbolisiert die Sündenlast der Menschheit.
Forschung: Das drei Meter hohe Kreuz war mit 150 Kilo viel zu schwer für einen Einzelnen. Der Hamburger Jesus-Biograf Gerhard Prause: „Verurteilte trugen deshalb nur das Patibulum, den Querbalken, zur Hinrichtungsstätte; die Pfähle standen dort“ – anders als in Gibsons Film.
Wer war Simon von Cyrene, der Jesus das Kreuz tragen half?
Bibel: Die Evangelisten Lukas und Markus berichten, dass die Legionäre Simon „zwangen, dass er ihnen das Kreuz trug“ – sie hätten es sonst selbst schleppen müssen. Markus überliefert sogar das Detail, dass Simon „Vater des Alexander und Rufus war“, die wohl später in der frühchristlichen Kirche eine Rolle spielten.
Glaube: Simon war Nordafrikaner. Sein Name bedeutet „Erhörung“. Erst widerwillig, dann hilfsbereit nimmt er Anteil am Leiden Christi und wird so zur Symbolgestalt christlicher Bekehrung.
Forschung: 1942 entdeckte der jüdische Gelehrte Professor E. L. Sukenik, besonders durch die Schriftrollen von Qumram bekannt, im Kidrontal östlich Jerusalems die Gebeine „Alexanders, des Sohnes Simons von Kyrene“ – für ihn der archäologische Beweis, dass es den biblischen Kreuzesträger wirklich gab.
Wie wurde Jesus wirklich gekreuzigt?
Bibel: Die Evangelien berichten nur: „Dort kreuzigten sie ihn.“
Glaube: Nach Markus boten die Legionäre zuvor einen Betäubungstrank aus „Myrrhe in Wein“ an, doch Jesus wies ihn zurück: Er musste die Schmerzen voll erleiden, um das Erlösungswerk nicht zu gefährden.
Forschung:1968 fand der israelische Archäologe Benjamin Mazar das Skelett eines etwa 28 Jahre alten Mannes, der um diese Zeit gekreuzigt worden war. Die Nägel waren durch die Handwurzeln geschlagen, denn die Handteller hätten das Gewicht des Körpers nicht lange tragen können. Ein dritter Nagel hielt beide Fersen am Kreuz fest. Die Nägel waren 11,5 Zentimeter lang.
Welche Schmerzen erlitt Jesus bei der Kreuzigung?
Bibel: Die Evangelien schweigen darüber – die Schmerzen eines Gekreuzigten bedurften damals keiner näheren Beschreibung, jeder Zeitgenosse kannte diese grausame und gar nicht seltene Hinrichtungsart.
Glaube: Der Film beginnt mit einem Zitat des Propheten Jesaja: „Viele haben sich über ihn entsetzt, so entstellt sah er aus, nicht mehr wie ein Mensch, seine Gestalt war nicht mehr die eines Menschen.“
Forschung: Jesus-Biograf Prause: „Die Nägelwunden waren extrem schmerzhaft. Die erhobenen Arme führten zu schmerzhaften Zirkulationsstauungen, Muskelkrämpfen und Erstickungsangst. Hinzu kamen die Schmerzen der Geißelung, der quälende Durst, die Belästigung durch Tausende von Fliegen.“
Was war die Todesursache?
Bibel: Markus und Matthäus schreiben nur, dass Jesus „laut schrie und verschied“.
Glaube: Jesus starb mit dem Satz „Es ist vollbracht“ – Ursache seines freiwilligen Todes war die sündige Menschheit, die er durch sein Sterben erlöste.
Forschung: Bibel-Experte Rienecker: „Die Hängelage verursachte Atemnot, und der Verurteilte konnte dem Erstickungstod nur entgehen, indem er sich, gestützt auf den Nagel durch die Füße, vorübergehend aufrichtete. In abwechselndem Senken und Heben des Körpers, in Atemnot und Atemschöpfen vollzog sich der Todeskampf, in dessen Verlauf es zu Flüssigkeitsansammlungen in Bauch- und Brusthöhle kam.“ Bis das Herz nach sechs Stunden zu schlagen aufhörte. Der französische Mediziner Pierre Barbet vermutet zudem eine seröse Perikarditis (Herzbeutelentzündung).
Warum stach der Legionär Jesus eine Lanze in die Seite?
Bibel: Gewöhnlich zerschlugen die Henker den Sterbenden nach einer Weile die Beine, damit sie sich nicht mehr abstützen konnten. Da Jesus bereits gestorben war, überprüften sie seinen Tod durch einen Lanzenstich.
Glaube: Auch hier erfüllte sich eine Prophezeiung: Im Buch Exodus über die Befreiung der Juden aus Ägypten befiehlt Gott den Israeliten, den Opferlämmern „kein Bein zu brechen“ – auch Jesus starb als Opferlamm zur Rettung seines Volkes. Der Legionär mit der Lanze hieß Longinus und wurde Christ.
Forschung: Die Lanze des Longinus kam im Mittelalter in den Besitz der deutschen Kaiser und wird heute im Reichsschatz in der Wiener Hofburg gezeigt.
Und hier wirds mysthisch:
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