Die Echoverleihung ist eine peinliche Veranstaltung. Was die Deutsche Phono-Akademie da feiert, ist des Lobes nicht wert.
Schlimm steht es um die deutsche Musikbranche, das hat die Verleihung des Echo 2008 wieder einmal bewiesen. Seit 17 Jahren beschenkt die Deutsche Phono-Akademie, der Verband der nationalen Tonträgerindustrie, die erfolgreichsten Künstler mit einer Trophäe. Erfolgreich ist freilich nicht gleichbedeutend mit gut oder musikalisch interessant. Erfolgreich meint absatzstark. Wer die meisten Downloads oder CDs verkauft hat, gewinnt den Preis.
Fragt sich nur, warum dann noch geheime Briefchen vor den Fernsehkameras geöffnet werden müssen. Die Absatzzahlen von 2007 stehen ja längst fest. Es geht also nur um die öffentlichkeitswirksame Präsentation der ewig gleichen Gesichter – der Gesichter, die ohnehin seit Jahren von den großen Plattenfirmen überall beworben werden. Wen kümmert’s da, dass die Gewinnerliste aus Versehen schon vor der offiziellen Verkündung in der BILD-Redaktion gelandet ist?
Gerd Gebhardt, der ausführende Produzent der Verleihung, schreibt auf der ECHO-Website: "Auch und gerade in Zeiten wirtschaftlicher Schwierigkeiten betont ECHO die Zuständigkeit einer Kulturindustrie, deren Fortbestand abhängig ist von erfolgreicher Künstler- und Nachwuchsförderung." Wenn nun aber Mark Medlock, der Gewinner der vergangenen DSDS-Staffel und liebster Schützling Dieter Bohlens, den Preis als "Erfolgreichster Newcomer National" erhält, kann doch mit der Nachwuchsförderung etwas nicht stimmen! Mit geringsten Mitteln einen arbeitslosen Altenpfleger zu einem hitparadenstürmenden Schmusesänger aufzublasen, zeugt von wenig Verantwortungsbewusstsein gegenüber Deutschlands Musikszene. Dass dieses Land sich mit LaFee, Herbert Grönemeyer, den Fantastischen Vier, Till Brönner und Bushido brüsten muss, ist bedauernswert.
Welch Geistes Kind unsere Stars sind, verhehlen sie nicht. Mark Medlock tönt auf dem Podest: "Ich hab das Drecksscheißding verdient, ey. Danke an meinen geil geliebten Produzenten Dieter Bohlen. Sei froh, dass ich keine Frau bin! Ich hätt’ dich geschwängert vom Feinsten, Baby!" LaFee, die den Preis als "Beste Künstlerin National" entgegen nimmt, greift unbedacht zu den richtigen Worten: "Mein erster großer Dank geht an die Leute, die dafür schuld sind, dass ich hier oben stehe, und das sind natürlich meine Fans."
Die Fans sind "dafür schuld", weil sie diesen Schund kaufen. Vor allen anderen sind aber die Produzenten und Plattenfirmen schuld, dass deutsche Sternchen so stumpf sind. Sie wagen es nicht mehr, wirkliche Musiker zu unterstützen und neue Ideen zu fördern, sondern pumpen ihre Budgets in hohle Puppen.
Im internationalen Vergleich sieht die deutsche Musikbranche jämmerlich aus. Leona Lewis gewann in England die Casting-Show X-Factor und legt bei der ECHO-Verleihung in Berlin einen souveränen Auftritt hin. Nicht vorstellbar, dass einer der bisherigen DSDS-Gewinner nächste Woche beim Brit-Award sein Liedchen trällerte.
Herbert Grönemeyer, der mit dem ECHO für das "Album des Jahres" und als "Bester Künstler Rock/Pop National" ausgezeichnet wird, sollte sein Image wechseln: Anstatt den blökenden Weltenretter zu geben, könnte er seine Verbindungen nach oben sinnvoll nutzen. Denn wenn sich die Industrie zu schwach fühlt, die Musik dieses Landes voranzutreiben, muss die Politik ran. Der ist schließlich immer daran gelegen, aus einer Kultur zu schöpfen, die anderen Nationen als Vorbild dient.
http://www.echopop.de/echo/echo_2008_gewinner.htm