Quelle:
http://www.frankfurter-rundschau.de
Der alte Mann und das Eis
Michael Bresagk absolviert heute gegen die Augsburger Panther sein 650. Spiel in der Deutschen Eishockey Liga
VON MATTHIAS KITTMANN
Es gibt Rekorde und Statistiken, die werden dem Einzelnen gar nicht bewusst, erst recht nicht deren Dimension. So machte Michael Bresagk vor wenigen Tagen im Gespräch ein verblüfftes Gesicht, als ihm die Zahl 650 präsentiert wurde, denn so viele Spiele wird er am heutigen Donnerstag nach der Partie der Frankfurt Lions gegen die Augsburger Panther (19.30 Uhr) in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) absolviert haben, überhaupt nur fünf weitere Spieler haben mehr: "Da komme ich mir richtig alt vor, dabei fühle ich mich gar nicht so." In Zeiten, wo nur der aktuelle Erfolg zählt, "hat man gar keine Muße, über so etwas nachzudenken", sagt der 36-Jährige, "das sind eher so Zahlen, bei denen später die staunenden Enkel sagen: Toll, was der Opa alles gemacht hat."
Heute mit der 500 auf dem Rücken
Dennoch weiß Michael Bresagk, dass er im schnelllebigen Geschäft des Sports eine wiedererkennbare Größe darstellt. Denn auch seine Treue zu den Frankfurt Lions ist Legende, er spielt in seiner zehnten Saison am Main, und feierte am Dienstag in Köln eine weitere runde Zahl: Zum 500. Mal trug er dort das Trikot der Lions. Eine Marke, die ebenfalls nur ganz wenige Spieler in Deutschland für einen Klub erreicht haben. Deshalb erlaubt es auch die DEL, dass Michael Bresagk heute statt mit seiner üblichen Nummer 2 mit der Rückennummer "500" auf dem Trikot auflaufen darf.
Der gebürtige Cottbuser ist ohnehin kein Wandervogel, er hat in seiner Laufbahn überhaupt nur für drei Klubs gespielt, nimmt man einmal ein Kurzgastspiel im französischen Brest aus. Seine Karriere begann er zu DDR-Zeiten. Dort traten nur zwei Mannschaften gegeneinander an. Bresagk spielte beim populären Underdog in Weißwasser. 19 Jahre war er gerade alt, als Weißwasser den in den vorhergehenden 13 Jahren zwölf Mal erfolgreichen Erz-Rivalen Dynamo Berlin als Meister ablöste. 1992 wechselte er zum EV Landshut, mit dem er auch den Übergang in die 1994 gegründete DEL mitgemacht hat. Rechnet man seine Bundesligaspiele aus der Vor-DEL-Zeit dazu, kommt er sogar auf 852 Einsätze in der höchsten deutschen Klasse. 1996 ging er als Folge des Bosman-Urteils und der hohen Ablösesummen für Deutsche nach Frankreich, ehe er von Bernie Johnston zu den Lions geholt wurde.
In Frankfurt fühlte sich Michael Bresagk wohl. Seine Tochter Emma kam hier zur Welt, seine Frau Simone hatte eine Anstellung als Sozialpädagogin gefunden. Eine Familien-Idylle, die plötzlich jäh zerstört wurde. Denn Simone Bresagk starb im Juli 2003 an Krebs. "Es war die schlimmste Zeit meines Lebens", sagt er rückblickend. Bresagk wollte 2003 eigentlich wechseln und sich den Iserlohn Roosters anschließen. Als aber der Tumor bei seiner Frau entdeckt wurde, machte er seinen Vertrag rückgängig und blieb in Frankfurt, wo er für seine Frau die besten Behandlungsmöglichkeiten sah. Doch die Hoffnung war vergebens. Aber in dieser schweren Zeit half ihm sein Verein. Lions-Besitzer Gerd Schröder und Manager Lance Nethery ließen den verdienten Spieler nicht fallen und gaben ihm einen Vertrag als Stand-by-Profi, eher als eine Art Belohnung für geleistete Dienste gedacht. Das tägliche Training half dem sympathischen Verteidiger über die schlimmste Zeit. Er kniete sich rein und bekam wieder Spaß am Eishockey.
Emotionaler Moment vor drei Jahren
Einen Tag vor Heiligabend 2003 lief er gegen die DEG erstmals wieder auf. Gleich bei seiner ersten Eiszeit markiert er das 1:0, später gelang ihm noch das 3:1. Am Ende verließ keiner der Zuschauer die Halle. Die Fans feierten Michael Bresagk wie einen "verlorenen Sohn". Ein emotionaler Moment, der mit der Meisterschaft vier Monate später noch gesteigert wurde. "Ich haben binnen zwölf Monaten eine Bandbreite von Gefühlen erlebt, die eigentlich unfassbar ist." Mittlerweile hat Michael Bresagk mit seiner zweiten Frau Ana-Karina auch wieder privates Glück gefunden. Selbst wenn letztlich heute der Sieg im Vordergrund steht, wird er auch mit ein bisschen Stolz die "500" tragen.